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Nachdem in Guben ein Algerier von Nazis in den Tod
getrieben wurde, zitieren die Zeitungen brandenburgische Politiker, die für den
Tod des Asylbewerbers "eine generelle Ausländerfeindlichkeit im
Land" mitverantwortlich machen.
Eine solche Einsicht hätte man sich vor acht Jahren gewünscht, als in
1991 in Hoyerswerda tagelang ein Ausländerwohnheim angegriffen wurde. Aber
damals wurde das Problem zu einem Ostproblem, einem Jugendproblem, einem
Arbeitslosenproblem heruntergespielt. Heute, nach den Erfolgen, die die
Unterschriftensammlung gegen Ausländer der CDU gebracht hat, könnte
man sehr viel genauer sein: Die Ausländerfeindlichkeit ist nicht
"generell", sie wird - aus machtpolitischen Gründen - von
benennbaren politischen Kräften bewußt geschürt. Warum sollte
rechtsradikalen Jugendlichen verwehrt sein, was die CDU darf, nämlich aus dem
Erfolg einer rassistischen Kampagne Nutzen ziehen? "Fremdenfeindliche
Stimmung führt eben auch zur Gewalt", erkannte Brandenburgs
Justizminister Hans Otto Bräutigam. Aber kein SPD-Oberer hat Hans Eichel am
Wahlabend Vorhaltungen gemacht, der Erfolg der CDU liege auch darin
begründet, daß die SPD nicht gegen die Unterschriftensammlung mobil
gemacht und sogar zugelassen hat, daß die eigenen Parteimitglieder davon
erfaßt werden.
Bevor sie das Problem so verallgemeinert, daß die Verantwortlichen wieder nicht
ausgemacht werden können, sollte die SPD lieber vor ihrer eigenen Tür
kehren.
Und noch eins lehrt die Hessenwahl: 16 Jahre schwarze Politik haben in der
Gesellschaft bleibende Spuren hinterlassen. Die lassen sich nicht durch einen
Regierungswechsel beseitigen. Es bedarf neuer Anstrengungen für
fortschrittliche gesellschaftliche Mobilisierungen, damit ein neues
Kräfteverhältnis entsteht und sich auch das Bewußtsein wieder
verändert. Die Hessenwahl ist ein Argument gegen Regierungsbeteiligung und
für außerparlamentarische Arbeit.