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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.04 vom 18.02.1999, Seite 3

Deutsches Bier in Afrika

Die Welt ist klein geworden. Jeder spricht inzwischen vom globalen Dorf", versuchte Franz Fischler, EU-Agrarkommissar, im vergangenen Oktober Bauern auf einer Landwirtschaftskonferenz den Weltmarkt schmackhaft zu machen. Europäische Produkte finde "man heute in fast allen Großstädten der Welt, unsere Biere sogar oft in den abgelegensten Dörfern Afrikas", erklärt er den Landwirten.
  Obwohl sich mehr als 80 Prozent des Handels innerhalb des europäischen Binnenmarkts abspielen, schwört der Agrarkommissar vor allem auf die immensen Vorteile der Liberalisierung und Globalisierung für Lebensmittelindustrie und -handel.
  Seine Rechnung ist einfach: auf dem Binnenmarkt der EU seien - abgesehen von der geplanten Osterweiterung - nur begrenzte Zuwächse bei der Nachfrage zu erwarten, demgegenüber würde die Weltbevölkerung innerhalb der nächsten Jahre vorraussichtlich um 85-90 Millionen Menschen wachsen. Nach Ansicht Fischlers alles potentielle Konsumenten für europäische Produkte aus der Nahrungsmittelindustrie.
  Fischler spricht sich gegen die bisherige Agrarpreispolitik aus, die nun mit der Agenda 2000 eine einschneidende Wende erfahren soll. Nach den gängigen Regelungen werden aus dem größten Haushaltsposten im EU-Budget, dem Agrarhaushalt mit knapp 80 Milliarden Mark jährlich, vor allem Milchprodukte, Getreide und Rindfleisch mittels Interventionspreisen subventioniert. Diese künstliche Angleichung an das niedrige Weltpreisniveau widerspreche jedoch den Regelungen der Welthandelsorganisation WTO. Außerdem hält die EU angesichts der Osterweiterung die gängige Subventionspolitik für untragbar: sie würde den EU-Haushalt sprengen.
  Auch wenn die Agenda 2000 auf den Weltmarkt orientiert - "globale Verantwortlichkeit" steht nicht auf der Tagesordnung. Das ist zumindest der einhellige Tenor der entwicklungspoltischen Nichtregierungsorganisationen (NGO). "Den einzigen Hinweis, den die Agrarreformvorschläge auf globale Verpflichtungen enthalten, ist der Verweis auf die WTO-Konformität und die in diesem Jahr anstehenden Verhandlungen", so Rudolf Buntzel-Cano im Kritischen Agrarbericht 1999.
  Tatsächlich widerspricht nur die bisherige Unterstützung der EU- Landwirte durch Preisgarantien mittels eines variablen Zolls, staatlicher Interventionslager und Exporterstattungen für die Ausfuhr der produzierten Überschüsse den WTO-Regeln. Einkommensübertragungen in Form von Kuh- und Bullenprämien oder der Flächenförderung pro Hektar und Durchschnittsernte, die im Gegensatz zu den Exporterstattungen nicht an Händler und Molkereien, sondern direkt in die Hände der Landwirte fließen, entsprechen hingegen den WTO-Ausnahmeregelungen.
  Doch auch die "direkten Einkommensübertragungen sind nicht handelsneutral" und werden in Kombination mit den verbleibenden Interventionszahlungen weiterhin einen Dumpingeffekt auf dem Weltmarkt haben, erklärt Buntzel-Cano. Wie zuvor wird eine hochsubventionierte Landwirtschaft der reichen Staaten - allein 1997 zahlten die Industrieländer 280 Millarden Dollar - die Produzenten der armen Länder verdrängen.
  Die verschuldeten Länder der Dritten Welt können es sich nicht leisten, durch Subventionen ihre Erzeugerpreise unter das Selbstkostenniveau zu drücken. Verbilligte Nahrungsmittel auf den Weltmärkten verdrängen weiter die vor Dumping ungeschützten Bauern in Asien, Afrika und Lateinamerika, deren Länder im Rahmen der Strukturanpassungsmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds ihre Zölle für ausländische Produkte abbauen müssen.
  Die Folge: Länder der Dritten Welt geben ihre Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln auf und lassen sich von den billigen Nahrungsmittellieferungen aus Europa versorgen. Preissteigerungen auf dem Weltmarkt, auf die z.B. die EU- Kommission in Zukunft spekuliert, hätten verheerende Auswirkungen. "Die Erfahrungen mit den plötzlichen Getreidepreissteigerungen der Jahre 1994-1996 haben diese Gefahr drastisch vor Augen geführt", so das Forum Umwelt und Entwicklung, ein Zusammenschluß entwicklungspolitischer NGOs.
  Gerhard Klas
 


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