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Die Welt ist klein geworden. Jeder spricht inzwischen
vom globalen Dorf", versuchte Franz Fischler, EU-Agrarkommissar, im
vergangenen Oktober Bauern auf einer Landwirtschaftskonferenz den Weltmarkt
schmackhaft zu machen. Europäische Produkte finde "man heute in fast
allen Großstädten der Welt, unsere Biere sogar oft in den abgelegensten
Dörfern Afrikas", erklärt er den Landwirten.
Obwohl sich mehr als 80 Prozent des Handels innerhalb des europäischen
Binnenmarkts abspielen, schwört der Agrarkommissar vor allem auf die
immensen Vorteile der Liberalisierung und Globalisierung für
Lebensmittelindustrie und -handel.
Seine Rechnung ist einfach: auf dem Binnenmarkt der EU seien - abgesehen von der
geplanten Osterweiterung - nur begrenzte Zuwächse bei der Nachfrage zu
erwarten, demgegenüber würde die Weltbevölkerung innerhalb der
nächsten Jahre vorraussichtlich um 85-90 Millionen Menschen wachsen. Nach
Ansicht Fischlers alles potentielle Konsumenten für europäische Produkte
aus der Nahrungsmittelindustrie.
Fischler spricht sich gegen die bisherige Agrarpreispolitik aus, die nun mit der Agenda
2000 eine einschneidende Wende erfahren soll. Nach den gängigen Regelungen
werden aus dem größten Haushaltsposten im EU-Budget, dem
Agrarhaushalt mit knapp 80 Milliarden Mark jährlich, vor allem Milchprodukte,
Getreide und Rindfleisch mittels Interventionspreisen subventioniert. Diese
künstliche Angleichung an das niedrige Weltpreisniveau widerspreche jedoch
den Regelungen der Welthandelsorganisation WTO. Außerdem hält die
EU angesichts der Osterweiterung die gängige Subventionspolitik für
untragbar: sie würde den EU-Haushalt sprengen.
Auch wenn die Agenda 2000 auf den Weltmarkt orientiert - "globale
Verantwortlichkeit" steht nicht auf der Tagesordnung. Das ist zumindest der
einhellige Tenor der entwicklungspoltischen Nichtregierungsorganisationen (NGO).
"Den einzigen Hinweis, den die Agrarreformvorschläge auf globale
Verpflichtungen enthalten, ist der Verweis auf die WTO-Konformität und die in
diesem Jahr anstehenden Verhandlungen", so Rudolf Buntzel-Cano im Kritischen
Agrarbericht 1999.
Tatsächlich widerspricht nur die bisherige Unterstützung der EU-
Landwirte durch Preisgarantien mittels eines variablen Zolls, staatlicher
Interventionslager und Exporterstattungen für die Ausfuhr der produzierten
Überschüsse den WTO-Regeln. Einkommensübertragungen in
Form von Kuh- und Bullenprämien oder der Flächenförderung pro
Hektar und Durchschnittsernte, die im Gegensatz zu den Exporterstattungen nicht an
Händler und Molkereien, sondern direkt in die Hände der Landwirte
fließen, entsprechen hingegen den WTO-Ausnahmeregelungen.
Doch auch die "direkten Einkommensübertragungen sind nicht
handelsneutral" und werden in Kombination mit den verbleibenden
Interventionszahlungen weiterhin einen Dumpingeffekt auf dem Weltmarkt haben,
erklärt Buntzel-Cano. Wie zuvor wird eine hochsubventionierte Landwirtschaft
der reichen Staaten - allein 1997 zahlten die Industrieländer 280 Millarden
Dollar - die Produzenten der armen Länder verdrängen.
Die verschuldeten Länder der Dritten Welt können es sich nicht leisten,
durch Subventionen ihre Erzeugerpreise unter das Selbstkostenniveau zu
drücken. Verbilligte Nahrungsmittel auf den Weltmärkten
verdrängen weiter die vor Dumping ungeschützten Bauern in Asien,
Afrika und Lateinamerika, deren Länder im Rahmen der
Strukturanpassungsmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds ihre
Zölle für ausländische Produkte abbauen müssen.
Die Folge: Länder der Dritten Welt geben ihre Selbstversorgung mit
Grundnahrungsmitteln auf und lassen sich von den billigen Nahrungsmittellieferungen
aus Europa versorgen. Preissteigerungen auf dem Weltmarkt, auf die z.B. die EU-
Kommission in Zukunft spekuliert, hätten verheerende Auswirkungen.
"Die Erfahrungen mit den plötzlichen Getreidepreissteigerungen der Jahre
1994-1996 haben diese Gefahr drastisch vor Augen geführt", so das
Forum Umwelt und Entwicklung, ein Zusammenschluß entwicklungspolitischer
NGOs.
Gerhard Klas