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"In Afrika Schriftsteller zu sein, ist schwierig - Schriftstellerin zu sein, ist
noch schwieriger. Denn Manuskripte von Frauen werden auch bei uns - wie
überall - erst als letzte gelesen."
Ama Ata Aidoo aus Ghana, die hier die Benachteiligung der afrikanischen
Schrifstellerinnen beklagt, gehört zu den profiliertesten Autorinnen des
Kontinents. Bereits mit 18 Jahren erhielt sie 1960 ihren ersten Literaturpreis, und seit
den 70er Jahren fand sie auch international Anerkennung. Aber sie weiß,
daß sie eine Ausnahme ist. Denn schwarzafrikanische Schriftstellerinnen
müssen immer noch wesentlich härter um Aufmerksamkeit
kämpfen als ihre männlichen Kollegen. So ging 1986 der Nobelpreis
für Literatur zum ersten Mal an einen Afrikaner, den Nigerianer Wole
Soyinka.
Aber danach dauerte es weitere fünf Jahre, bis 1991 erstmals eine Afrikanerin
mit diesem Preis ausgezeichnet wurde: die weiße Südafrikanerin Nadine
Gordimer. Auch die erste Anthologie mit Texten afrikanischer Frauen in deutscher
Sprache erschien erst 1987, zu einer Zeit als die Werke der bekanntesten
Schriftstellerinnen in Afrika bereits 20 Jahre alt waren. Darunter auch die der
Ghanaerin Ama Ata Aidoo. Doch lagen bis Mitte der 90er Jahre nur einzelne
Kurzgeschichten der bedeutenden Dramatikerin, Lyrikerin und Kinderbuchautorin in
deutscher Übersetzung vor. Erst 1998 hat der Lamuv Verlag ihren Roman Die
Zweitfrau herausgebracht, eine Liebesgeschichte, die mit dem renommierten
Commonwealth Prize for Literature in Africa ausgezeichnet wurde.
In diesem Roman trennt sich die Soziologin Esi von ihrem Ehemann. Wenig
später aber geht sie eine leidenschaftliche Beziehung zu einem verheirateten
Mann ein. Als Muslim ist es für diesen selbstverständlich, mehrere Frauen
heiraten zu können. Folglich bittet er Esi, seine zweite Ehefrau zu werden. Nach
anfänglicher Zögerung willigt sie schließlich ein. Doch bald stellt sie
fest, daß sie ihren Mann nicht so leicht mit der Erstfrau teilen kann. Am Ende
muß Esi sich eingestehen, daß sie auch mit ihrem zweiten Mann keine
gleichberechtigte und liebevolle Partnerschaft führen kann.
Liebesgeschichte ohne Happyend
Die Zweitfrau ist eine Liebesgeschichte ohne Happyend. Trotzdem mag Ama Ata
Aidoo nicht, wenn sich Europäerinnen über die Polygamie in islamischen
Ländern erregen und dabei ihre eigenen Rollenzuschreibungen
vergessen.
"Wenn wir das Leben von Frauen hinterfragen, als Ehefrauen, dann
müssen wir weiter denken als nur über Polygamie ... Das Problem ist nicht
die Polygamie, sondern die Ehe überhaupt!"
Ama Ata Aidoos Kritik an patriarchalischen Strukturen ist radikal, und sie macht auch
vor Europa nicht Halt. In vielen ihrer Kurzgeschichten hat sie den Einfluß der
"colonial masters", der kolonialen Mentalität thematisiert.
Als sie Anfang der 80er Jahre versuchte, als Bildungsministerin die Geschicke ihres
von kolonialen Abhängigkeiten geprägten Landes zu verändern,
war sie ihrer Zeit weit voraus. Sie stieß auf erhebliche Widerstände.
Enttäuscht ging sie schließlich 1985 nach Zimbabwe, wo sie bis zu ihrer
Rückkehr 1994 lebte. Die alleinerziehende Mutter einer Tochter und Dozentin
für Literatur an verschiedenen Universitäten in den USA,
Großbritannien und Afrika wählte wie viele ihrer Romanfiguren den
schwierigen Weg der Selbstbestimmung. Ama Ata Aidoo hat sich der
Aufklärung verschrieben. Gegen die Zwänge der Gesellschaft, der
Tradition und der Moral. Mit dem Ergebnis, daß sie inzwischen zwar
gehört und anerkannt wird, aber weiter umstritten geblieben ist.
Die erste Autorin Schwarzafrikas, deren Bücher in deutscher Sprache publiziert
wurden, war die Senegalesin Mariama Bâ. Ihr Erstlingswerk Ein so langer Brief
erhielt 1980 den japanischen Noma-Preis für afrikanische Literatur und wurde in
mehrere Sprachen übersetzt. Mariama Bâ starb ein Jahr später im
Alter von 52 Jahren. Als Lehrerin und alleinerziehende Mutter von neun Kindern hatte
sie in dem Briefroman das Leid beschrieben, das sie zum Teil selbst erlebt
hatte.
Mariama Bâ erzählt aus der Perspektive von Ramatoulaye, einer Frau
mittleren Alters, die nach 30 Ehejahren von ihrem Mann wegen einer weit
jüngeren Zweitfrau verlassen wird. Die Schriftstellerin Mariama Bâ, 12
Jahre älter als ihre ghanaische Kollegin Ama Ata Aidoo, deren Roman die
Probleme der Zweitfrau darstellt, schildert einfühlsam den
Erkenntnisprozeß der Erstfrau, die nicht weniger Opfer der Polygamie ist als die
weiteren Ehefrauen. Dabei beschwört die gläubige Muslimin Mariama
Bâ durchaus konservative Normen und Werte: die islamischen Sitten, das Ideal
der Mutterschaft und die Einheit der Familie als Grundlage der Nation. Aber dieser
Wertkonservativismus, auch des Islam, wird aufgebrochen, wo es um die
Unterdrückung der Frau geht.
Rassismus unter Afrikanern
Um eine gleichberechtigte, sich ergänzende Liebe zwischen Mann und Frau, um
Selbsterkenntnis, Befreiung und die Vision einer besseren Gesellschaft geht es auch der
großen Erzählerin Bessie Head. Unbestritten ist sie die literarischste. Die
Südafrikanerin, die nur 49 Jahre alt wurde, hat vier Romane und zahlreiche
Kurzgeschichten hinterlassen, in denen sie persönliche Erfahrungen eines
schweren Lebens verarbeitet hat.
Bessie Head kam 1937 in einer psychiatrischen Anstalt in Südafrika zur Welt.
Ihre weiße Mutter wurde für psychisch krank gehalten, weil sie sich mit
einem schwarzen Mann eingelassen hatte. Das kleine Mädchen wurde zur
Adoption freigegeben und wuchs, nachdem sie aus einer weißen Familie
verstoßen worden war, bei Pflegeeltern auf, die das Apartheidregime als
"Farbige" eingestuft hatte. Menschen brauner Hautfarbe, sog.
"Mischlinge" wurden wie Weiße oder Schwarze gesondert
erfaßt. Bessie Head erhielt eine gute Schulbildung. Aber nach einigen unruhigen
Berufsjahren als Journalistin, setzen ihr die rassistische Unterdrückung und die
brutale Gewalt in Südafrika so zu, daß sie mit ihrem kleinen Sohn nach
Botswana floh. Dort schrieb sie 1971 auch ihren Roman Maru, ihr zweites Werk, das
1998 endlich auch auf Deutsch erschienen ist.
In der Rahmenhandlung geht es um die Lehrerin Margaret Cadmore, die der
Minderheit der San angehört, der Ethnie der "Buschmänner".
Diese Bevölkerungsgruppe leidet bis heute im südlichen Afrika unter den
schlimmsten Formen der Unterdrückung, nicht nur der weißen
Kolonialisten, sondern auch der schwarzen Bantu, die die San vertrieben, ausgebeutet
und versklavt haben. Die Romanfigur Margaret Cadmore geht wie Bessie Head auf
eine Missionsschule. Bewegend beschreibt Bessie Head die gedemütigte Seele
der ausgestoßenen San-Frau.
Maru ist stark autobiografisch geprägt. Deshalb scheut sich Bessie Head, in
ihrem Heimatland abgestempelt als "Farbige", auch nicht, den Rassismus
unter Afrikanern selbst anzuprangern. Sie tat das mit diesem Buch 1971, in einer Zeit,
als der Kampf der Schwarzen gegen die Apartheid der Weißen im Vordergrund
stand. Bessie Heads Figuren sind nie schablonenhaft, stets läßt die Autorin
Fragen offen, irritiert sie auch ihre Leserinnen und Leser. Vieles schrieb sie
während ihrer immer wiederkehrenden Depressionen.
Unausgesprochenes thematisieren
Die Autorinnen der jüngeren Generation setzen die engagierte Tradition ihrer
Vorgängerinnen fort. Auch sie wagen sich häufig an Tabus heran und
schreiben nicht einfach, um ihr Publikum zu unterhalten. Im Gegenteil: oft
thematisieren sie bisher Unausgesprochenes, kritisieren öffentlich, was bislang
verdrängt und verleugnet wurde. So zwingen z.B. zimbabwische
Künstlerinnen ihre Gesellschaft, sich mit den negativen Seiten des
Befreiungskampfs im Rhodesien der 70er Jahre auseinanderzusetzen.
Die Regisseurin Ingrid Sinclair löste mit ihrem Film Flame eine heftige
Diskussion in ihrem Land aus, als sie die patriarchalische Gewalt gegen die
Kämpferinnen innerhalb der Befreiungsbewegung zeigte. Flame, die mutige
Kämpferin, wird von einem Guerillaführer vergewaltigt. Selbst zwei
Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit will die männlich dominierte
herrschende Elite in Zimbabwe an der Geschichtsklitterung eines ausschließlich
heldenhaften Befreiungskampfs festhalten.
Zu den Frauen in Zimbabwe, die den Schleier falscher Heroisierung lüften
wollen, gehört auch Yvonne Vera. Sie studierte in Kanada, wie viele
Afrikanerinnen der jüngeren Generation, die eine Zeit im Ausland verbracht und
dort ihre Ausbildung abgeschlossen haben. 1997 sind zwei Bücher der
35jährigen Autorin in deutscher Sprache erschienen. Der Roman Frau ohne
Namen und die Erzählungen Seelen im Exil. Beide Werke beschäftigen
sich mit dem Befreiungskrieg, bei dessen Beginn 1970 die Autorin erst sieben Jahre alt
war.
In der Erzählung Grenzüberschreitungen beschreibt Yvonne Vera die
Psyche der kolonialen Eroberer Zimbabwes in Gestalt des weißen
Farmerehepaares Nora und Charles ebenso eindringlich wie die seelischen Qualen der
von ihrem Land vertriebenen schwarzen Familie und deren Hoffnung auf Befreiung.
Bemerkenswert ist, daß beide Frauen, die schwarze Ma Moyo und die
weiße Nora jede auf ihre Weise den Männern voraus sind.
Aus Verzweiflung zur Kindsmörderin
Yvonne Veras Roman Eine Frau ohne Namen nimmt sich desselben Tabus an, das den
Film Flame so umstritten machte: Das Leben der jungen Mazvita ist zerstört,
weil sie von einem Soldaten während des Befreiungskriegs vergewaltigt wurde.
Sie verläßt ihr Dorf und ihren Freund, von dem sie ein Kind erwartet, und
geht in die Stadt, immer verfolgt vom Trauma der Gewalt. Aus Verzweiflung wird
Mazvita zur Kindsmörderin. Ihrer schrecklichen Irrfahrt kann man sich als
Leserin kaum entziehen. Nicht laut und drastisch, sondern leise und umso
aufrüttelnder schildert Yvonne Vera das Schicksal dieser vergewaltigten Frau,
die mannigfachen Verletzungen, die Amnesie, die Verzweiflung und die
Aussichtslosigkeit. Eine zutiefst traurige Erzählung und zugleich ein
großes Kunstwerk.
Erfahrungen aus dem Exil
Die Ghanaerin Amma Darko lebte in den 80er Jahren in Deutschland und hat ihre
Erfahrungen im freiwilligen Exil literarisch verarbeitet. In Amma Darkos Roman Der
verkaufte Traum rechnet die 42jährige ab mit der Konsumgier ihrer Landsleute
in Ghana, mit dem Rassismus in Deutschland und mit dem Männlichkeitswahn,
den sie hier wie dort antrifft. Mara, die Protagonistin des Romans, wird schon als
Mädchen mit Akobi verheiratet. Für ihren Mann ist sie nicht mehr als ein
Arbeitstier. Als sie ihm Jahre später nach Europa folgt, muß Mara
für ihren eigenen Mann als Prostituierte anschaffen. Zwar kann sich Mara in
einem schmerzhaften Prozeß von ihrem Mann befreien, und doch arbeitet sie
weiter als Prostituierte. Und daran sind auch die Erwartungen und Träume der
Verwandten daheim schuld, die von ihrem Geld leben.
Amma Darkos Roman will ihre Geschichte nicht nur als Frauenroman verstanden
wissen. Auch die Männer, so sagte sie in einem Interview, seien Opfer
gesellschaftlicher Mißstände in Afrika. "Wenn du im Lande A lebst,
und ein ungleich reicheres Land B läßt dich nicht in Ruhe, sondern breitet
Tag für Tag seinen Reichtum vor deinen Augen aus, dann ist es ja völlig
normal, daß dich die Neugierde packt und du dich aufmachst, dir ein Stück
des Kuchens zu sichern. Für die Ghanaer in Deutschland enthält mein
Buch die Botschaft, nicht zu glauben, um jeden Preis die Erwartungen, die daheim an
ihre Reise geknüpft werden, erfüllen zu müssen."
Diese aus der ökonomischen hervorgegangene, kulturelle Abhängigkeit
afrikanischer Länder von den reichen Ländern des Nordens spielt auf die
eine oder andere Weise in fast allen Werken afrikanischer Schriftstellerinnen eine
Rolle. Die Botschaften der Dichterinnen richten sich deshalb gleichermaßen an
die Leser im Norden wie im Süden.
Birgit Morgenrath (Rheinisches JournalistInnenbüro)