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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.04 vom 18.02.1999, Seite 11

Bundesweite Aktionskonferenz Köln 99

Etwas NGO-Prominenz, wenig Besucher

Mit knapp hundert Teilnehmern war die Beteiligung am der ersten bundesweiten Aktionskonferenz gegen den Kölner Doppelgipfel am 6.Februar schlechter besucht, als von den Organisatoren des "Bündnis 99" erwartet. Am 3. und 4.Juni werden in der Domstadt der EU-Regierungsgipfel und zwei Wochen später der G7-Gipfel tagen. Linke Gruppen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) planen Protest- und Widerstandsaktionen gegen die Repräsentanten einer "Weltwirtschaft, die die materiellen Existenzgrundlagen" der Mehrheit ihrer Bevölkerung zerstöre, erklärte Werner Rätz, Mitarbeiter der Informationsstelle Lateinamerika.
  Die im "Bündnis 99" zusammengeschlossenen und ihm nahestehenden Gruppen hatten in Köln Gelegenheit, ihre Projekte vorzustellen. Starten wollten sie eigentlich mit einer Demonstration gegen den EU-Gipfel am 5.Juni. Ursprünglich sollten die Regierungschefs der EU am 4. und 5.Juni, einem Freitag und Samstag, tagen. Nachdem der demonstrationsfreundliche Samstag für die Großmobilisierung gegen den Gipfel schon festgelegt war, verkündeten Ende des letzten Jahres EU-Offizielle kurzerhand die Vorverlegung des Termins um einen Tag. Das brachte das gesamte Demokonzept durcheinander, denn nach dem offiziellen EU-Gipfel wollte niemand demonstrieren.
  Die "Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung, Ausgrenzung und Rassimus" starten nun schon am 29.Mai mit einer europaweiten Großdemonstration. Denn ein Termin mitten in der Woche hätte negative Auswirkungen auf eine Mobilisierung im europäischen Ausland gehabt, so die Einschätzung. Anschließend finden zwei Gegengipfel statt und auch am 3.Juni soll demonstriert werden. Anläßlich des G7-Gipfels ist ebenfalls am 19.Juni eine Demonstration und während des gesamten Wochenendes ein Alternativgipfel geplant.
  Vor allem zwei Aktionen heben sich von den herkömmlichen Protestformen ab: der internationale Zusammenschluß "Peoples Global Action" plant eine Karawane mit 500 indischen Bauern durch Europa, die zu beiden Regierungstreffen vor Ort sein wird. Die EuroMärsche planen mehrere Marschrouten durch Europa. Die Organisatoren gehen von insgesamt mehreren tausend Teilnehmern aus, die sich von Brüssel, Prag, Athen und Palermo aus ab Mitte Mai auf den Weg nach Köln zum Protest gegen den EU-Regierungsgipfel machen werden.
  Ein Sprecher der Aktionskonferenz verwies auf Planungen der Polizei, schon an den Treffpunkten in den Abfahrtsorten zu den Demonstrationen in Köln angebliche "Gewalttäter" festnehmen zu wollen. "Um eine willkürliche Aufteilung in ‚gute‘ und ‚schlechte‘ Demonstranten zu vermeiden, sollten sich in allen Städten Aktionskomitees bilden, die ihre Protestaktionen in Köln gemeinsam vorbereiten", lautet der Rat an die Konferenzteilnehmer.
  Der Alternativgipfel zum G7-Treffen, der von Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED), Medico International, dem Bund für Naturschutz und Umwelt, dem antirassistischen Netzwerk "Kein Mensch ist illegal", der Informationsstelle Lateinamerika (ILA) und dem Netzwerk Friedenskooperative für den 17. und 18.Juni vorbereitet wird, soll hochkarätig besetzt werden. Nach Angaben des WEED-Sprechers Peter Wahl sind die Ökonomin Susan George, Vandana Shiva aus Indien, der französische Soziologe Pierre Bourdieu und der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka im Gepräch.
  Da es nicht möglich sei, "alle Phänomen und Auswirkungen zu behandeln", hätten sich die vorbereitenden Gruppen auf drei Schwerpunkte geeinigt, so Werner Rätz: Flucht und Migration, Erwerbslosigkeit und die Weltwirtschaftsordnung als große Klammer sollen im Zentrum der Debatte stehen.
  Einige Kongreßteilnehmer kritisierten, daß weder auf der Demonstration, noch auf dem Alternativkongreß zum G7-Gipfel die offizielle Teilnahme von Organisationen aus den südostasiatischen Krisenregionen vorgesehen ist, wo die globale Wirtschaftsordnung derzeit die tiefsten Spuren hinterläßt.
  Schließlich präsentierte sich die Erlaßjahrkampagne, die sich für die verschuldeten Länder der Dritten Welt einsetzt. Sie ist zwar nicht Bestandteil des Bündnis 99, will aber unter dem Motto "getrennt marschieren, gemeinsam schlagen" mit dem Bündnis kooperieren. In Anlehnung an den G7-Gipfel 1998 im britischen Birmingham wollen sie mit etwa 50000 Menschen das Konferenzgebäude der Regierungschefs umzingeln und einen Schuldenerlaß für Drittweltländer fordern.
  Gerhard Klas
 
  Kontakt Bündnis 99: Fon (0221) 9520008, E-Mail: <koeln99@gmx.net>l;.
 


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