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Rumäniens Bergarbeiter erzielten gegen die
Regierung von Ministerpräsident Radu Vasile einen klaren Sieg. Nach einem
viertägigen Marsch der Bergleute auf Bukarest wurde die Regierung gezwungen,
ihre harte Haltung aufzugeben, nachdem andere Arbeitergruppen und die
Bevölkerung aus Dörfern und Provinzstädten sich dem Marsch auf
Bukarest angeschlossen hatten.
Wenn es der Polizei nicht gelingt sie zu stoppen, setzen wir die Armee ein",
erklärte der rumänische Regierungschef noch zwei Tage, bevor er den
Arbeitern entgegenkam, indem er eine 30prozentige Lohnerhöhung akzeptierte
und den Wiederbetrieb zweier geschlossener Kohlegruben im Jiutal, im Volksmund
"Jammertal" genannt, anordnete.
Nachdem 10.000 Arbeiter eine aus 3000 Polizisten bestehende Sperre vor dem Dorf
Horezu (30 Kilometer von Bukarest entfernt) durchbrochen hatten, war es für
die Regierung höchste Zeit, mit der Drohung, Militär einzusetzen und den
Ausnahmezustand zu verhängen, ihre Stärke zu demonstrieren.
In jedem Dorf und in jeder Stadt, die die Bergleute auf ihrem Marsch passierten,
wurden sie von einer lokalen Bevölkerung mit offenen Armen empfangen, die in
den vergangenen acht Jahren eine deutliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen
erfahren hat. Die Gefahr eines allgemeinen Aufstands war zu groß, und die
Regierung mußte klein beigeben.
Der Konflikt hatte kurz nach Jahreswechsel begonnen, als die staatliche
Grubengesellschaft zwei Zechen im Jiutal zumachte und 1700 Arbeiter auf die
Straße setzte. Zehntausend Arbeiter antworteten mit Streik für eine
35prozentige Lohnerhöhung und der Wiederaufnahme des Betriebs der zwei
geschlossenen Zechen. Als zwei Streikwochen zu keinem Ergebnis führten,
griffen die Arbeiter zu dem Mittel, das sie bereits früher verwendet hatten: ein
Marsch auf Bukarest.
Die Regierung sperrte alle Autostraßen zum Jiutal und der Zugverkehr wurde
eingestellt. Dadurch wurde es ein Fußmarsch, was vielleicht die Sympathien
für die kampfbereiten Bergleute verstärkte. "Unsere
Füße können sie uns nicht wegnehmen", so ein Arbeiter
gegenüber einem Reporter von Radio Free Europe.
Nach Ceausescus Sturz hat das rumänische Volk nicht viel von den
Versprechungen der neuen Machthaber gesehen. Die gegenwärtige Regierung
verfolgt ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank
diktiertes Sparprogramm. Im Austausch gegen Kredite hat das Regime versprochen,
140 Kohlenzechen, 49 staatliche Industriebetriebe mit 70.000 Beschäftigten zu
schließen und die Privatisierung der Landwirtschaft durchzusetzen.
Vom Gesichtspunkt des Umweltschutzes ist der Braunkohleverbrauch in Osteuropa
natürlich eine Katastrophe, und längerfristig muß die Produktion
entweder umweltverträglich vonstatten gehen oder aufgegeben werden. Doch die
in diesem Zweig Beschäftigten sollten dafür nicht die Rechnung mit
Arbeitslosigkeit und Elend bezahlen müssen.
Bevor die Regierung kapituliert hatte, meinte Industrieminister Radu Berceanu,
daß "das Land nicht die Möglichkeit hat, die Forderungen der
Bergleute zu erfüllen, denn wir müssen unsere Auslandsschulden
bezahlen". Doch die Arbeiter wissen sehr genau, in welche Taschen das geliehene
Geld gelandet ist. In ihrem Fall wurde es jedenfalls nicht dazu verwendet, die Zechen
zu modernisieren und die Sicherheit der Arbeiter zu verbessern.
Wie in Rußland und in der Ukraine waren auch in Rumänien die
"Marktreformen" das Feigenblatt, hinter dem Schieber und "hohe
Tiere" im Staatsapparat alles stahlen, was vom kollektiven Eigentum des Landes
zu stehlen war. Die ineffiziente stalinistische Planwirtschaft sollte durch eine moderne
effiziente kapitalistische Marktwirtschaft ersetzt werden. Statt dessen wurde dem
rumänischen Volk eine durch und durch korrupte Räuberökonomie
aufgezwungen.
Wenn die Bergleute von der verarmten Landbevölkerung mit offenen Armen
empfangen wurden, so waren sie in Bukarest keineswegs willkommen. 1991 waren die
Bergleute von dem damaligen Staatspräsidenten Ion Iliescu manipuliert worden.
Ein Marsch von Bergarbeitern auf Bukarest hatte damit geendet, daß die Arbeiter
in der Stadt Gewaltakte gegen Studenten verübten und am Ende neun Tote und
Hunderte Verletzte hinter sich zurückließen. Die Regierung des
Ministerpräsidenten Petre Roman wurde zum Rücktritt gezwungen, was
der Altstalinist Iliescu auch mit dem Marsch bezweckt hatte.
Diesmal wurden die Bergleute von dem populären Miron Cozma
angeführt, der einst den KP-Kreisen nahestand, die Ceausescu gestürzt
hatten. Sechs Jahre lang war er der Chef der Privatmiliz Iliescus gewesen. Mittlerweile
ist Cozma nach rechts abgeschwenkt und zum stellvertretenden Sprecher der von dem
Rassisten Cornliu Vadim Tudor geführten nationalistischen Partei Romane Mare
(PRM) ernannt worden*. Diese Partei attackiert vor allem die in Rumänien
rechtlosen Roma und die wenigen noch im Lande lebenden Juden.
Gegen den Marsch der Arbeiter auf Bukarest hatten in der Hauptstadt 10.000
Menschen, zumeist Studenten, demonstriert. Nach den Ereignissen von 1991 ist es
verständlich, daß die Bergleute nicht willkommen waren. Doch diesmal
kämpften die Arbeiter nicht gegen demokratische Rechte und Freiheiten, sondern
dafür, daß nicht sie die sozialen Kosten des IWF-Reformpakets bezahlen
sollen. Nichts könnte berechtigter sein. Daß ihr Führer ein
organisierter Rassist ist, kann zu einem großen Handicap bei der weiteren
Verteidigung der Interessen der Arbeiter werden, und eine Steuerung durch die PRM
kann nicht ausgeschlossen werden.
Die beste Garantie gegen reaktionäre Verirrungen im Kampf ist natürlich
eine möglichst breite Mobilisierung im ganzen Land gegen die
"Marktreformen" des Regimes und für ein Nein zu den Marodeuren
des IWF.
Benny Asman (aus: "Internationalen", Nr.4, 1999)
*[Während des Marschs auf Bukarest hatte Cozma seinen
vorübergehenden Austritt aus der PRM verkündet. Vor kurzem hat nun
die PRM erklärt, daß Cozma nicht wieder aufgenommen werde, da er
"das Bild der Partei besudelt" habe ("Internationalen", Nr.5,
1999).]