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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 04.03.1999, Seite 2

"Das kann nicht gottgewollt sein"

Kolumne: Jakob Moneta

Ausgerechnet das als konservativ eingestufte Rheinisch-Westfälische Institut (RWI) aus Essen bescheinigt der Bundesregierung, daß sie mit den "bislang beschlossenen Maßnahmen" die Konsumnachfrage anregt. Dadurch und dank der Verringerung der "Lohnersatzkosten" profitiere mittelfristig auch die Investitionstätigkeit. In diesem Jahr werde deshalb die Wirtschaft um 2,8 Prozent wachsen und der Aufschwung sich im Jahre 2000 festigen.
  Das politisch eher der Bundesregierung nahestehende Berliner DIW schätzt die konjunkturelle Entwicklung wesentlich pessimistischer ein. Die Prognosen beider Wirtschaftsinstitute hängen jedoch davon ab, ob den Turbulenzen in den von Krisen geschüttelten Regionen der Welt Einhalt geboten werden kann, oder ob sie sich verschärfen. Immerhin verringert die Stärkung der Binnennachfrage die Exportabhängigkeit der Wirtschaft.
  Bedeuten aber die Lohn- und Gehaltserhöhungen durch die letzte Tarifbewegung nicht auch eine Senkung des Profits, so daß weniger investiert werden kann, wie uns von Verteidigern der Kapitalinteressen vorgejammert wird?
  Wie es im Casinokapitalismus um die angehäuften Geldmittel bestellt ist, darüber hat uns der hochkarätige Ex-Manager Daniel Goeudevert aufgeklärt, der als Querdenker in den Vorständen von Ford und VW saß.
  Zweitausend Milliarden Dollar - das sind rund 3400 Milliarden DM - werden jeden Tag an den Weltbörsen in Bewegung gesetzt, erklärt er. Nur 1 Prozent davon, das sind 34 Milliarden DM, fällt täglich auf die wirtschaftliche Wertschöpfung, also auf das ab, was in den Betrieben erarbeitet wird. 5 Prozent, das sind 170 Milliarden DM, dienen für Waren, Dienstleistungen und Handel. Der gesamte Rest, das sind 3190 Milliarden DM pro Tag, werden für die Spekulation an den Börsen eingesetzt.
  "Jeder vernünftige Mensch weiß, daß hier eine Zeitbombe tickt", sagt der Ex-Manager Daniel Goeudevert und kommt zu dem Schluß: "Die Politiker machen heute nur noch die Politik, die ihnen die Wirtschaft läßt. Die freie Wirtschaft ist aber in sich kein gesellschaftliches Modell." (Frankfurter Rundschau, 11.1.)
  Eine spannende Rechnung machte auch Klaus Zwickel auf, den die Hamburger St.Katharinenkirche einlud, als Laie über das Thema zu predigen: "Kann denn Mammon christlich sein?" Der IG-Metall-Vorsitzende rechnete vor: "Für ein Pfund Brot vom Bäcker - Kostenpunkt rund drei Mark - arbeitet der Facharbeiter sechs Minuten, die Hamburger-Braterin eine Viertelstunde und der Vorstandsvorsitzende eine Unternehmens wie Bertelsmann sechs Sekunden. Bei einer Waschmaschine, die - sagen wir - 800 Mark kostet, entspricht das bei dem Vorstandsvorsitzenden drei Viertelstunden, beim Facharbeiter gut einer Woche und bei einem geringfügig Beschäftigten mehr als einem Monatslohn ... Zwischen 1980 und 1996 hat sich der Anteil der Einkommensteuer auf wundersame Weise von 10 Prozent auf 1,6 Prozent drastisch verringert. Der Anteil der Lohnsteuer am Steueraufkommen ist gleichzeitig von 30,5 auf 33,6 Prozent gestiegen. Es erstaunt nicht, daß die Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit seit 1983 um 21 Prozent gestiegen und gleichzeitig die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer um 7 Prozent gesunken sind. Das kann nicht gottgewollt sein", meinte der IG-Metall- Vorsitzende.
 
  Jakob Moneta
 


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