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Ausgerechnet das als konservativ eingestufte
Rheinisch-Westfälische Institut (RWI) aus Essen bescheinigt der
Bundesregierung, daß sie mit den "bislang beschlossenen
Maßnahmen" die Konsumnachfrage anregt. Dadurch und dank der
Verringerung der "Lohnersatzkosten" profitiere mittelfristig auch die
Investitionstätigkeit. In diesem Jahr werde deshalb die Wirtschaft um 2,8 Prozent
wachsen und der Aufschwung sich im Jahre 2000 festigen.
Das politisch eher der Bundesregierung nahestehende Berliner DIW schätzt die
konjunkturelle Entwicklung wesentlich pessimistischer ein. Die Prognosen beider
Wirtschaftsinstitute hängen jedoch davon ab, ob den Turbulenzen in den von
Krisen geschüttelten Regionen der Welt Einhalt geboten werden kann, oder ob
sie sich verschärfen. Immerhin verringert die Stärkung der
Binnennachfrage die Exportabhängigkeit der Wirtschaft.
Bedeuten aber die Lohn- und Gehaltserhöhungen durch die letzte Tarifbewegung
nicht auch eine Senkung des Profits, so daß weniger investiert werden kann, wie
uns von Verteidigern der Kapitalinteressen vorgejammert wird?
Wie es im Casinokapitalismus um die angehäuften Geldmittel bestellt ist,
darüber hat uns der hochkarätige Ex-Manager Daniel Goeudevert
aufgeklärt, der als Querdenker in den Vorständen von Ford und VW
saß.
Zweitausend Milliarden Dollar - das sind rund 3400 Milliarden DM - werden jeden
Tag an den Weltbörsen in Bewegung gesetzt, erklärt er. Nur 1 Prozent
davon, das sind 34 Milliarden DM, fällt täglich auf die wirtschaftliche
Wertschöpfung, also auf das ab, was in den Betrieben erarbeitet wird. 5 Prozent,
das sind 170 Milliarden DM, dienen für Waren, Dienstleistungen und Handel.
Der gesamte Rest, das sind 3190 Milliarden DM pro Tag, werden für die
Spekulation an den Börsen eingesetzt.
"Jeder vernünftige Mensch weiß, daß hier eine Zeitbombe
tickt", sagt der Ex-Manager Daniel Goeudevert und kommt zu dem
Schluß: "Die Politiker machen heute nur noch die Politik, die ihnen die
Wirtschaft läßt. Die freie Wirtschaft ist aber in sich kein gesellschaftliches
Modell." (Frankfurter Rundschau, 11.1.)
Eine spannende Rechnung machte auch Klaus Zwickel auf, den die Hamburger
St.Katharinenkirche einlud, als Laie über das Thema zu predigen: "Kann
denn Mammon christlich sein?" Der IG-Metall-Vorsitzende rechnete vor:
"Für ein Pfund Brot vom Bäcker - Kostenpunkt rund drei Mark -
arbeitet der Facharbeiter sechs Minuten, die Hamburger-Braterin eine Viertelstunde
und der Vorstandsvorsitzende eine Unternehmens wie Bertelsmann sechs Sekunden.
Bei einer Waschmaschine, die - sagen wir - 800 Mark kostet, entspricht das bei dem
Vorstandsvorsitzenden drei Viertelstunden, beim Facharbeiter gut einer Woche und bei
einem geringfügig Beschäftigten mehr als einem Monatslohn ... Zwischen
1980 und 1996 hat sich der Anteil der Einkommensteuer auf wundersame Weise von
10 Prozent auf 1,6 Prozent drastisch verringert. Der Anteil der Lohnsteuer am
Steueraufkommen ist gleichzeitig von 30,5 auf 33,6 Prozent gestiegen. Es erstaunt
nicht, daß die Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit seit 1983 um 21
Prozent gestiegen und gleichzeitig die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer um 7
Prozent gesunken sind. Das kann nicht gottgewollt sein", meinte der IG-Metall-
Vorsitzende.
Jakob Moneta