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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 04.03.1999, Seite 4

Deutsche Bank und Zwangsarbeit

US-Markt ist einen Kniefall wert

Die Deutsche Bank will partout das größte Finanzinstitut der Welt werden. Dafür muß sie sich auf dem US-amerikanischen Finanzsektor verankern. Zum Jahreswechsel 1998/99 erklärte die Deutsche Bank, für 17 Milliarden Mark das US-Institut Bankers Trust übernehmen zu wollen. Dieser Beutezug der führenden deutschen Bank in das Land, in dem - u.a. als Folge der NS-Verbrechen - Millionen Menschen jüdischer Herkunft leben, mußte dort Widerstand hervorrufen. Jüdische Verbände riefen die Vergangenheit der Deutschen Bank in der NS-Zeit ins Gedächnis, forderten Entschädigung für Zwangsarbeit und drohten mit Boykott deutscher Waren und Unternehmen.
  Das half der Deutschen Bank auf die Sprünge. Das Gewissen dieses Geldinstituts wurde entdeckt, weil es Marktwert hatte. Nun sprachen führende Vertreter der Deutschen Bank von ihrer "geschichtlichen Verantwortung". Jetzt erfuhr die Öffentlichkeit, daß dieses Geldinstitut über ein "Historisches Institut" verfügt, das "allein zu den zwölf Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft 15 Kilometer Akten gesammelt" habe - so die Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Jetzt wurde eine Pressekonferenz anberaumt, auf der der Leiter dieses Instituts, Manfred Pohl, von einer "Verstrickung" der Deutschen Bank in die NS-Verbrechen zu berichten wußte. Nun entdeckten derselbe Herr Pohl und seine Helfer buchstäblich Leichen im (Akten-)Keller: Laut einem erst jetzt aufgefundenen "neuen Aktenbefund" habe die Deutsche Bank auch das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz in Polen über Kredite von Tochterunternehmen an die lokale SS mitfinanziert.
  Und plötzlich erklärte sich die Deutsche Bank bereit, eine erkleckliche Summe Geldes in einen neu zu bildenden Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die heute in den USA leben, zu zahlen.
  Warum behaupten die Deutsche-Bank-Vertreter, "neue Aktenfunde" belegten die Finanzierung von Auschwitz durch die Deutsche Bank in der NS-Zeit? Hatte doch der britische Jurist Tom Bower in seiner Studie Das Gold der Juden bereits vor Jahren geschrieben, der Deutsche-Bank-Chef Abs finanzierte "ein Chemiewerk der IG Farben in Auschwitz", was die Deutsche Bank jedoch bisher ignorierte hatte.
  Den Grund, weshalb die Deutsche Bank gerade jetzt ihre altbekannten Leichen im Keller ins Scheinwerfer-Licht tauchte, kannte die Financial Times bereits in ihrer Ausgabe vom 5.Februar: Vor kurzem hatten die zwei führenden österreichischen Banken Creditanstalt und Bank Austria, die selbst mit Klagen jüdischer Verbände konfrontiert sind, die vorbehaltlose Öffnung ihrer eigenen Archive angekündigt. Beide österreichischen Institute waren im Zweiten Weltkrieg Tochtergesellschaften der Deutschen Bank und als solche in Kredite für den Bau des KZ in Auschwitz verwickelt. Damit drohten von dieser Seite detaillierte Belege an das Licht der Öffentlichkeit zu gelangen, mit der die Verstrickung der damaligen Muttergesellschaft, der Deutschen Bank selbst in das "Auschwitz- Business" dokumentiert werden würde. Dieser kaum vermeidlichen Enthüllung wollten die Deutschbanker nun zuvorkommen und dies lieber als Ausdruck ihrer "Verantwortung für Geschichte" vermarkten.
  Verstehen die Vertreter der Deutschen Bank ihr Angebot, in einen Entschädigungsfonds Geld zu zahlen, tatsächlich als Ausdruck ihrer "Verantwortung vor der Geschichte"? Oder sehen sie darin nicht eher eine Art branchenübliches Portogeld für Geschäfte wie die anstehende Übernahme von Bankers Trust? So sind bei Geschäften dieser Art und in dieser Größenordnung Schmiergelder in Höhe von 8-10 Prozent der jeweiligen Kaufsumme an der Tagesordnung. 8 Prozent von 17 Milliarden machen 1,3 Milliarden Mark. Just soviel bietet die Deutsche Bank unter der Hand als Summe an, die sie im Fall einer Einigung mit den jüdischen Verbänden in einen entsprechenden Fonds zu zahlen bereit wäre.
  Im Fall der Deutschen Bank in den USA geht es um das Schicksal von rund 120.000 ehemaligen Sklavenarbeitern. Pro Person sollen mindestens 10.000 Mark bezahlt werden. Doch was ist mit den Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen, die in Ländern leben oder lebten, wo die deutschen Konzerne und Banken sich bisher weigerten, Entschädigungen zu zahlen oder wo sie sich mit lächerlichen Summen freikaufen wollten? In der Ukraine wurden 600 Mark je überlebenden Zwangsarbeiter bezahlt, in Polen waren es nur 500 Mark. Wird in diesen Ländern nach dem Shopping in New York durch Deutsche Bank und deutsche Bundesregierung nicht vorgerechnet, daß deutschen Unternehmen die Entschädigung für einen osteuropäischen Zwangsarbeiter nur ein Zwanzigstel dessen wert ist, was sie für einen ehemaligen Zwangsarbeiter, der heute in den USA lebt, zu zahlen bereit sind? Zwar ließ diesbezüglich am 14.Februar die Bundesregierung wissen, der nunmehr neu zu bildende Fonds sei auch "offen für Ost-Zwangsarbeiter". Doch konkrete Zahlen wurden hierbei nicht genannt, so daß dies der Beruhigung von Hunderttausenden empörten Menschen in diesen Regionen dienen dürfte.
  Anderswo - so in Griechenland oder im Baltikum - wiesen die deutschen Banken und Unternehmen, die in der NS-Zeit von Zwangsarbeit profitierten, bisher jede Zahlung und jede Verantwortung von sich.
  Vor dem Hintergrund der jüngsten shopping tour der Deutschen Bank in New York darf pointiert gefragt werden: Welches griechische Finanzinstitut müßte der Deutschen Bank oder einem anderen deutschen Finanzinstitut zu welchem Schnäppchenpreis zur Übernahme angeboten werden, damit diese sich bereit erklärten, ihre "Verantwortung vor der Geschichte", ihre tiefe "Verstrickung in NS-Verbrechen" einzugestehen und eine angemessene Entschädigung für griechische Zwangsarbeiter und andere NS-Verbrechen, von denen sie profitierte, zu bezahlen?
  Winfried Wolf
 


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