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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 04.03.1999, Seite 5

Antifaschismus

Eiertanz der sächsischen PDS

Knapp 500 Menschen demonstrierten am letzten Februarwochende in der sächsischen Kleinstadt Wurzen, "dem wohl wichtigsten Neonazizentrum Deutschlands", so der Verfassungsschutzbericht 1996. Im letzten Jahr hatte die Stadt ein privates NPD-Haus schließen lassen. Der neuen Ruhe trauen die Antifaschisten nicht. Für Matthias Gärtner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der PDS im sachsen-anhaltinischen Landtag, ist diese Ruhe lediglich Ausdruck einer vorläufigen Hegemonie NPD-naher Jugendkreise in einer "befreiten Zone".
  Die Demonstration hatte ein längeres Vorspiel. Wurzen werde immer wieder "unberechtigterweise als neonazistische Hochburg stilisiert", heißt es in einer Verbotsverfügung des zuständigen Landratamts Muldental zur Demonstration am 27.Februar, die später vom Verwaltungsgericht in Leipzig wieder aufgehoben wurde.
  "Es macht mich sehr traurig, daß ausgerechnet meine eigene Partei als Kronzeugin für das Verbot angeführt wird", klagte Angela Marquardt, Bundestagsabgeordnete der PDS und Anmelderin der Demonstration in Wurzen. Schon Wochen vorher lief der Kreisvorstand der PDS im Muldentalkreis - allen voran die Kreisvorsitzende und Landesvorstandsmitglied Kerstin Köditz - Sturm gegen die Demonstration. Auch der sächsische Landesvorstand versagte seine Unterstützung. Die Aktion könne vielleicht ein wenig öffentliche Aufmerksamkeit erreichen, "wirkt sonst aber kontraproduktiv", so der PDS-Landesvorstand. Den Initiatoren der Demonstration schlägt der Landesvorsitzende Peter Porsch vor, "gemeinsam für ein breites Bündnis gegen Rechts in und um Wurzen zu werben".
  "Ein breites Bündnis bedeutet für uns mit Schulen, Medien und allen Parteien zusammenzuarbeiten … In unsere PDS-Geschäftsstelle kamen jeden Tag 30 bis 40 Jugendliche", erklärt die Kreisvorsitzende. Das sei mit der Demo am 27.Februar vorbei, so Köditz im Vorfeld der Demo, "die Eltern haben jetzt Angst um ihre Kinder, weil nun jeder, der zur PDS geht, für die Faschos ein Ziel ist". Wurzen sei keine rechtsextreme Hochburg mehr, betont Köditz, "nur 3,9 Prozent hatte die NPD bei der letzten Bundestagswahl". Seit 1996 sei in Wurzen "eine stinknormale Ruhe" eingekehrt.
  Für Marquardt hat hingegen die massive Ablehnung der Demonstration durch die PDS im Muldental "dem antifaschistischen Ansehen der Partei sehr geschadet". Für Linke und AusländerInnen könne nicht die Rede davon sein, daß sich in Wurzen die Lage beruhigt hat.
  In der Auseinandersetzung um die Demonstration in Wurzen geht es um einen grundsätzlichen Dissenz in der antifaschistischen Politikverständnis der PDS. "Ein gesellschaftlicher Widerstand gegen rechtsextreme Entwicklungen ist kaum spürbar. Dies hat auch eine Ursache in den Aktivitäten der ‚autonomen Antifa‘ … Der ständige Druck auf rechte Kleingruppen hat diese nicht zerschlagen, sondern zusammengeführt und gefestigt", so das Papier der sächsischen Arbeitsgemeinschaft PDS und Antifaschismus, verfaßt von Köditz. "Solange eine antifaschistische Demo für mehr Aufsehen sorgt, als der von Angst vor rechter Gewalt dominierte Alltag, zeigt sich, daß in der Gesellschaft etwas grundlegend nicht stimmt", erklärt hingegen Marquardt.
  Die Haltung der sächsischen PDS hat eine lange Geschichte. Schon am 7.Mai 1996 plädierten Christine Ostrowski (PDS) und ihr Mitarbeiter Ronald Weckesser im Brief aus Sachsen für eine Neuorientierung der PDS nach dem "strategischen Vorbild der CSU". Unter anderem stellten sie mit der Forderung nach Einwanderungsquoten statt "offene Grenzen" PDS-Grundsätze in Frage. Nur wenige distanzierten sich damals eindeutig von den populistischen Positionen. Nur 17 junge Funktionsträger aus der PDS wendeten sich gegen die Umwandlung der PDS in eine "ostdeutsche Landsmannschaft". Der sächsische Landesvorstand stellte sich in seiner Mehrheit hinter Ostrowski und Weckesser.
  Seit September 1998 sitzt Ostrowski für die PDS im Bundestag, trotz des unverblümt gegen das Parteiprogramm gerichteten Briefs aus Sachsen trotz der Distanz zu antifaschistischen Aktionen oder der Hetze gegen Linke. Auch die Kontakte zur Naziszene - das Treffen mit der Nationalen Offensive war kein "Ausrutscher", sie traf in Dresden z.B. auch den Geschichtsrevisionisten und Deutschnationalen Alfred Mechtersheimer - nichts hält davon ab, Ostrowski immer wieder ganz nach oben zu befördern.
  Ihr Parteifreund Weckesser antwortet auf die Frage, inwieweit sich der Dresdner Stadtverband mit der "Doppelten Staatsbürgerschaft" beschäftige, daß Asyl- und Flüchtlingspolitik kein "vordringliches Thema" für die Dresdner PDS sei. Gleiches gelte für den Landesvorstand, so Vorstandsmitglied Lutz Manke. Seiner Meinung nach herrsche in der sächsischen PDS die Ansicht vor, "nun ist das Boot aber wirklich voll". Eigentlich gehe man dem unbequemen Thema "Rassismus" aus dem Weg, so Manke weiter.
  Wie sehr der Rassismus aber auch von PDS-Mitgliedern geschürt wird, zeigen nicht nur die Lobeshymnen von PDS-Mitgliedern aus Hoyerswerda auf ihren Bürgermeister, "keine Ausländer mehr in die Stadt zu holen".
  Auch der stellvertretende PDS-Bürgermeister der Stadt Grimma und Leiter der dortigen Asylbewerberunterkunft, Wolfgang Bludau, ist ein trauriges Beispiel. Dieser richtete ein Schreiben and den Landtagsabgeordneten Klaus Bartl (PDS) über die "Herren Ausländer". Daß Asylbewerber für die Dauer ihres Verfahrens eine allgemeinnützige Arbeit in den Kommunen zu verrichten haben oder bei "Verstößen gegen die Prinzipien der menschlichen Moral und Ethik" sofort und rücksichtslos abgeschoben werden sollen, waren noch die harmlosen Formulierungen. Bludau will sicherstellen, daß er seinen "christlichen Glauben hier leben kann und nicht der Angst unterliegen muß, durch den Moslem tyrannisiert zu werden". Asylbewerbern fehle es an nichts, "dafür verführen sie unsere deutschen Kinder mit Drogen und anderen Giften" und "führen ein fettes, sorgloses Leben auf Kosten der hier lebenden Menschen", so Bludau.
  Ob seine rassistischen Äußerungen eine Mehrheit in der sächsischen PDS finden, ist unbekannt. Klar ist, daß Bludau immer noch stellvertretender Bürgermeister für die PDS in Grimma ist und weiterhin ein Flüchtlingsheim leitet. Grimma liegt im Muldentalkreis. Die Vorsitzende der dortigen PDS ist Kerstin Köditz.
  Tom Kucharz
 


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