Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 18.03.1999, Seite 14

Fahrpreiserhöhungen statt Verkehrswende

Die Reaktion kam prompt: Kaum war die sogenannte Ökosteuer im Bundestag beschlossen, kündigte Bahnchef Ludewig eine zusätzliche Preiserhöhung um 1,5 Prozent an, um die dadurch entstehenden Kosten aufzufangen - und handelte sich erneut harsche Kritik der zuständigen Politiker ein. Deutlicher kann sich die Schizophrenie der herrschenden Verkehrspolitik kaum zeigen.
  Was war passiert? Daß es sich bei der als ökologische Steuerreform bezeichneten Maßnahme schlicht um eine Energieverbrauchssteuer handelt, mit der die Lohnkosten gesenkt werden sollen, dürfte bekannt sein. Daß unverzüglich sämtliche Industrie-Lobbyisten der Regierung ob der unzumutbaren Belastungen in den Ohren lagen, war vorauszusehen. Interessant ist, welche Lobbyistenstimmen gehört wurden und welche nicht. So konnten alle sich als besonders energieintensiv definierenden Branchen - also vor allem die besonderen Energieverschleuderer - des produzierenden Gewerbes schnell Ausnahmeregelungen durchsetzen. Entsprechende Bemühungen der Bahn und des Verbandes der Öffentlichen Verkehrsunternehmen wurden erst einmal abgeschmettert.
  Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der grünen Fraktion im Bundestag, verteidigte noch die Besteuerung mit der Begründung, es täte auch der Bahn gut, verstärkten Druck zu bekommen, um mehr Energie zu sparen. In der Tat liegt im Schienenverkehr noch vieles im argen. 80 Tonnen schwere und 2000 PS starke Diesellokomotiven, die gerade mal zwei oder drei Wagen ziehen, sind kein gewöhnlicher Anblick. Zudem ist ein großer Teil des Rollmaterials hoffnungslos überaltert und damit unnötig energieintensiv. Aber woran liegt das? Daran, daß die Bahn in der Vergangeheit zuwenig Mineralölsteuer bezahlt hat? Wohl kaum. Und bei der Binnenschiffahrt und beim Flugverkehr gilt das Argument anscheinend nicht, denn die bleiben nach wie vor von jeglicher Mineralölsteuer befreit.
  Die rein sektorale Betrachtung der Regierung zeigt das ganze Elend der Marktwirtschaftsapologeten. Man predigt Marktwirtschaft, ohne die fundamentalen Wettbewerbsverzerrungen zur Kenntnis zu nehmen. Der beste Weg, die Energieeffizienz im Verkehr zu erhöhen, ist immer noch, mehr Leute in die Züge zu bekommen. Fahrpreiserhöhungen sind dafür wohl kaum der geeignete Weg. Auch Streckenelektrifizierungen können die ökologische Bilanz verbessern. Doch auch im neuen Bundeshaushalt gibt es dafür keinen Posten, wohl aber einen erneut mit rund 10 Milliarden DM bestückten für weiteren ungehemmten Straßenbau. Wer sich um eine wirkliche Verkehrswende herumdrücken will, neigt halt zu Ersatzhandlungen.
  Bernhard Strowitzki
 


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