Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 18.03.1999, Seite 19

Film

"Die Siebtelbauern"

Der Bauer liegt tot auf dem Hof, ermordet. Die Mörderin ist, wie sich später herausstellt, seine ehemalige Magd, die einst von ihm vergewaltigt wurde. Überhaupt war der tote Bauer kein Menschenfreund und niemand trauert um ihn. Da er keine Erben hat, soll sein Hof an die Kirche fallen. Die anderen Großbauern des Dorfes verhandeln schon mit dem Pfarrer über den Preis, für den sie ihm den Hof wieder abkaufen können.
  Bei der Testamentseröffnung geschieht etwas völlig überraschendes. Ausgerechnet der menschenfeindliche Geizkragen vermacht den Hof an seine zehn Knechte und Mägde, die er als Lebender nur geschunden hat. Das ist kein Anfall von plötzlicher Humanität: Der Menschenschinder hat vielmehr gehofft, daß sich die zehn im Streit um den Besitz gegenseitig den Schädel einschlagen werden. Zunächst sieht es auch ganz danach aus: Der Großknecht, selbst nach dem Tode seines Herrn noch dessen treuer Büttel, will die anderen zwingen, den Hof an den größten Bauern im Dorf zu verkaufen. Damit kann er sich jedoch nicht durchsetzen und verläßt mit zwei Getreuen den Hof. Für die Bauern ist schon längst klar, daß ein Knecht kein Bauer sein kann, weil das gegen die "göttliche Ordnung" verstößt.
  Doch sieben der zehn Erben, allen voran die Magd Emmy (Sophie Rois), haben beschlossen, sich um diese Ordnung nicht mehr zu scheren, weil es dem "Herrgott vielleicht ein bisserl fad geworden ist" und er Lust auf ein wenig Abwechslung hat. So entsteht der Hof der Siebtelbauern. Denn jedem gehört ein Siebtel des Hofes, der aber gemeinsam bearbeitet wird.
  Kopf und Herz dieses Kollektivs ist Emmy. Sie vertritt den Hof nach außen und provoziert die Bauern durch ihr selbstbewußtes Auftreten. Nach innen verhindert sie, daß sich erneut Hierarchien bilden und die Frauen wieder zu Mägden der Männer werden. Außerdem motiviert sie die anderen und verhindert, daß sie allzu schnell aufgeben. Sophie Rois ist in dieser Rolle sehr überzeugend. Und so wird in diesem oberösterreichischen Dorf am Anfang des 20.Jahrhunderts die "göttliche Weltordnung" gleich dreifach in Frage gestellt: Knechte werden Bauern, sieben Bauern arbeiten gleichberechtigt ohne Chef auf einem Hof und sogar die fünf Frauen sind gleichberechtigte Bauern neben ihren männlichen Kollegen.
  Das können die Bauern des Dorfes natürlich nicht akzeptieren. Sie versuchen auf legale und illegale Weise, die Siebtelbauern von ihrem Hof zu vertreiben. Denn zu allem Überfluß rumort es nun unter den anderen Knechten und Mägden, die anfangen aufsässig zu werden. Zuerst legen die Bauern den Wert des Hofes so hoch fest, daß die Summe, die den drei "Abtrünnigen" ausgezahlt werden muß, zunächst unerschwinglich erscheint. Den Siebtelbauern gelingt es dennoch, sie aufzubringen.
  Später greifen sie zu rabiateren Mitteln: Sie töten Kühe und zünden die Scheune an. Als der Ex-Knecht Lukas (Lars Rudolph) sich dagegen wehrt, wird er zum Mörder gestempelt und zum Schluß bestialisch ermordet. Ironie der Geschichte: In Wirklichkeit war er der Sohn des ermordeten Bauern, der ihn bei der Vergewaltigung der Magd gezeugt hatte, die ihn später tötete. Der Großknecht, der das Experiment nicht mitgemacht hat, hilft den Bauern dabei als nach wie vor getreuer Büttel. Ihn trifft aber auch als ersten der Zorn der Siebtelbauern, die aber letztlich aufgeben müssen.
  Übrig sind schließlich nur noch drei, die in einer Art stillem Triumphzug, bei denen ihnen alle Knecht und Mägde des Dorfes das Geleit geben, das Dorf verlassen. Sie wollen nach Amerika auswandern, wo angeblich alles besser ist. Ihr neu gewonnenes Selbstbewußtsein ist ungebrochen, sie werden nie wieder vor einem Herrn buckeln. Insofern war das Experiment doch erfolgreich, es hat die verbliebenen TeilnehmerInnen zumindest persönlich weiter gebracht.
  Dieser durchaus humorvoll erzählte "Alpenwestern", der am Ende etwas zu brutal wird, zerstört die Klischees des Heimatfilms, indem er die konservative "Idylle" Oberösterreichs zur Zeit der reaktionären k.u.k.-Monarchie zum Hintergrund eines sozialen Experiments macht. Dieses Experiment wird aber nicht von Politaktivisten sondern von sieben Landeiern veranstaltet, die im besten Sinne des Wortes bauernschlau sind. Der Klassenkampf zwischen Bauern und Gesinde wird so auch nicht ideologisch moralisierend sondern - von seiten des Gesindes - humor- und phantasievoll ausgetragen. Die Bauern disqualifizieren sich durch ihre rohe Gewalt selbst und die Siebtelbauern tragen den moralischen Sieg davon.
 
  Andreas Bodden
 
  Die Siebtelbauern, Österreich 1998, Regie: Stefan Ruzowsky; mit Sophie Rois, Lars Rudolph.
 


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