Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.08 vom 15.04.1999, Seite 2

Desorientierung

Die Grüne Hypothek

von WOLFGANG POMREHN

Diese Regierung ist ein Glücksfall für die deutsche Bourgeoisie. Erklärtermaßen von der Geschichte "unbelastet", tritt sie in die Fußstapfen oder besser: ausgetretenen Pfade deutscher Balkan- und Osteuropapolitik. Jahrzehntelange Opposition, antifaschistische Traditionen und - im Falle der Grünen - Herkunft aus der Friedensbewegung lassen ihr Spiel auf der Menschenrechts- und Minderheitenschutzklaviatur glaubwürdig erscheinen. Hätten Kohl und Rühe gewagt, diesen Krieg vom Zaun zu brechen, so hätte die Basis der Grünen und auch so mancher Sozialdemokrat zu den ersten gehört, die auf die Straße gegangen wären. Ohne Frage wäre es um einiges leichter gewesen, gegen die Nato-Aggression zu mobilisieren.
  Doch wie die Dinge stehen, sorgt die Tatsache, daß das erste deutsche Kriegs-Kabinett nach 1945 ein "linkes" ist, in erheblichen Teilen der Öffentlichkeit für Desorientierung. Erste Aktionen der NPD unter der Losung "Gegen Bomben - für Arbeitsplätze" mögen ein Hinweis darauf sein, wie verheerend die Nachwirkungen des Endes des Grünen Projekts in Zukunft noch sein könnten, gelingt es der Linken nicht, die Opposition gegen den Krieg zu mobilisieren und diejenigen, die jetzt die Grünen und vielleicht auch die SPD verlassen, einzubinden.
  So oder so wird die in der jüngeren deutschen Geschichte beispiellos rasante Preisgabe aller wesentlicher programatischer Grundsätze, die die Grünen der atemlosen Öffentlichkeit vorführen, für die Linke eine Hypothek darstellen. Denn ob es uns gefällt oder nicht: Die Grünen gelten noch immer als links. Ihr Umfallen und ihre Prinzipienlosigkeit schlagen auf uns zurück.
 


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