Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.09 vom 29.04.1999, Seite 5

Grüne vor Spaltung?

Viele warten mit ihrem Austritt Parteitag ab

Bei den Grünen knarrt es wegen des Kriegs gegen Jugoslawien mächtig im Gebälk. Am 13 Mai soll es im westfälischen Hagen einen Sonderparteitag geben und manches deutet darauf hin, daß es dort zum offenen Bruch kommen wird. Nach einer ersten spontanen Austrittswelle, in der mehrere hundert die einstige Protestpartei verlaßen, warten viele jetzt den 13. ab. Kommt aber in Hagen keine klare Kurskorrektur zu stande, könnten mehrere 1000 den Grünen den Rücken kehren. Darunter auch ganze Kreisverbände, meint im Freitag Uli Cremer, bis vor kurzem Sprecher der Bundes-AG Frieden, jetzt Mitorganisator der grünen Anti-Kriegsinitiative.
  Ralf Henze, der vom schleswig-holsteinischen Neumünster aus das parteiinterne Oppositions-Netzwerk Basis-Grün koordiniert, hält eine Spaltung durchaus für möglich. Entweder würde die Opposition gehen, oder Fischer. Über die von dem Neumünsteraner betriebene Mailinglist (Verteiler elektronischer Post) wird jedenfalls schon mal zu Treffen der Parteiopposition vor und nach der Bundesdelegiertenkonferenz aufgerufen.
  In Nordrhein-Westfalen wird geschätzt, daß etwa die Hälfte der Kreisverbände gegen den Krieg eingestellt ist. Besonders weit geht der Verband Kaiserslautern-Stadt, der in Hagen beantragen will, daß Außenminister Fischer zum Rücktritt und zur Niederlegung seines Bundestagsmandats aufgefordert wird. Das in Magdeburg beschlossene Bundestagsprogramm habe das Motto "Grün ist der Wechsel" gehabt, heißt es in dem Antrag der Kaiserslauterner. Damit sei nicht der Wechsel auf die Seite der Kriegspartei gemeint gewesen.
  Ähnliche Anträge gibt es von einer ganzen Reihe grüner Gliederungen, z.B. auch aus dem schleswig-holsteinischen Lübeck. Dort Beschloß der Kreisverband auf einer Mitgliederversammlung, sich nicht am Europawahlkampf zu beteiligen.
  Die dafür vorgesehene Gelder sollen statt dessen in die Unterstützung der Antikriegsbewegung fließen. Die grünen Mandatsträger und Regierungsmitglieder werden zum Rücktritt aufgefordert. Sollte der Sonderparteitag am 13.Mai keine Kursänderung bringen, wird überlegt, mit dem Kreisverband aus der Partei auszutreten.
  Derzeit werde geprüft, heißt es aus der grünen Ratsfraktion der Hansestadt, ob das statuarisch möglich ist. Außer einem sofortigen Stopp der Angriffe wird auch "Wiedergutmachung der angerichteten Schäden" gefordert, und zwar "sowohl durch die jugoslawische bzw. serbische Regierung im Kosovo wie durch die NATO-Staaten in Serbien und Montenegro." Die Mittel für deutsche Reparationszahlungen sollen vom Etat des Kriegsministeriums abgezogen werden. Vom Landesvorstand in Kiel war zu den Lübecker Beschlüssen keine Stellungnahme zu bekommen.
  Soweit wie die Lübecker will sonst in Schleswig-Holstein kaum einer gehen. Aber immerhin gehört die grüne Landesministerin Angelika Birk zu den Unterzeichnern der Antikriegsinitiative. Die beiden grünen Bundestagsabgeordneten des Landes hingegen, Angelika Beer und Klaus Müller, sind eifrige Befürworter des Angriffs.
  Die ehemals engagierte Antimilitaristin und verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Beer bekam erst ein wenig kalte Füße, als der Inhalt des Anhang B des Rambouillet-Vertrags durchsickerte, der den NATO-Truppen freie Bewegung und Immunität in ganz Jugoslawien garantieren sollte. Hätte sie davon vorher gewußt, hätte sie dem Bombardement nicht zugestimmt, ließ sie verlauten. Die Forderung nach einem bedingungslosen Ende der Angriffe mag sie allerdings daraus nicht ableiten.
  Auch sonst ist es eher unwahrscheinlich, daß nördlich der Elbe weitere Kreisverbände dem Lübecker Beispiel folgen. Die Lübecker sind seit jeher im Landesverband links verortet und haben vor drei Jahren auch zu den eifrigsten Kritikern der Koalition mit der SPD auf Landesebene gehört.
  Unterdessen bemüht sich die Anti-Kriegsinitiative, die bei der GAL in Hamburg-Bergedorf untergekommen ist, die diversen Anträge der Kriegsgegner zu koordinieren.
  Alle werden jedoch kaum unter einen Hut zu bekommen sein. Bundestagsmitglied Christian Ströbele, einer der wenigen Grünen, die im Parlament gegen den Krieg gestimmt haben, versucht den Spagat zwischen Ablehnung des Krieges und festhalten an der Koalition: "Wir wollen weder aus der Koalition raus, noch unseren Außenminister in Frage stellen", äußerte er gegenüber der Frankfurter Rundschau. Gleichzeitig bereitet er jedoch mit einigen anderen MdBs einen Antrag auf sofortigen Stop der Bombardements vor.
  Auf dem anderen des parteiinternen Spektrums gibt es inzwischen die ersten Stimmen für den Einsatz von Bodentruppen. Auf einer Mitgliederversammlung in Köln, auf der die Kriegsgegner kanpp scheiterten sprachen sich immerhin 20 Anwesende für den Einsatz von Bodentruppen aus.
  Der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz meinte vergangene Woche, es sei ein Fehler gewesen, Milosevi´c nur mit Luftangriffen zu drohen. Und auch der bundesweite Frauenrat der Grünen konnte sich nicht mehrheitlich auf die Ablehnung von Bodentruppen verständigen. Am vergangenen Wochenende stützten die Landesverbände in Bayern, Hessen, Baden-Würtemberg und dem Saarland die Position der grünen Minister.
Wolfgang Pomrehn


zum Anfang