Sozialistische Zeitung |
Die DGB-Führung hat den "rot"-grünen Kriegseinsatz von Anfang an
gutgeheißen. Bereits einen Tag vor Beginn der Luftangriffe hatte DGB-Chef Dieter Schulte der Bundesregierung die Unterstützung
des Gewerkschaftsbundes zugesichert. Der Dachverband ließ noch am 30.3. verlauten, wenn Verhandlungen nicht weiterführten,
gebe es "zum Einsatz von Streitkräften keine Alternative".
Diese Äußerungen haben erheblichen Widerstand innerhalb der Einzelgewerkschaften hervorgerufen. So forderte die
IG Medien ein sofortiges Ende der NATO-Angriffe, und der Berliner Landesverband der GEW nannte die NATO-Bombardierungen einen
"Angriffskrieg". Der Vize-Chef der IG Metall, Jürgen Peters, blieb dabei: "Krieg ist und bleibt für die IG Metall
kein Instrument der Politik." Eine politische Konfliktlösung könne "nicht herbeigebombt" werden. Allerdings
konnte sich die IG Metall nicht dazu verstehen, ein Ende des NATO-Einsatzes zu fordern. Die Vorsitzende des DGB in Mittelbaden, Sabine
Leidig, wies in einem Brief an Dieter Schulte darauf hin, daß von hochrangigen GewerkschafterInnen keine "vaterländische
Ergebenheitsadresse an die Regierung" erwartet werde. Der Vorsitzende der NGG in Baden-Württemberg, Herbert Burger, und der
Chef der IG Medien in Hessen, Berthold Balzer, bezeichneten die deutsche Kriegsbeteiligung als "einen Politikwechsel der ganz
besonderen Art". Sie teilten nicht die "willig durch einige Medien verbreitete Auffassung", es habe nur diesen Weg gegeben
und andere Druckmittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Schulte solle seine Position überdenken.
Der DGB-Kreis Frankfurt verlangte von der Bundesregierung, sich
für eine sofortige Beendigung der NATO-Angriffe gegen Jugoslawien und "für neue Initiativen für politische
Lösungen einzusetzen." Verhandlungen unter der Führung von UNO und OSZE und unter Beteiligung Rußland seien
notwendig. Das "Diktat der NATO" sei keine zukunftsfähige Lösung. Auch der Landesverband des DGB in
Thüringen sprach sich am 7.4.99 für eine sofortige Beendigung des "NATO-Kriegseinsatzes" aus. Die NATO
dürfe sich nicht zu einer Weltpolizei aufschwingen, die von der UNO, dem Völkerrecht und vom Grundgesetz losgelöst
handele.
LandessprecherInnen der GEW,
JugendsekretärInnen von DGB und IG Metall sowie VertreterInnen der IG Medien unterzeichneten die parteiübergreifende
"Bremer Erklärung zum Krieg gegen Jugoslawien". Darin wird ein Ende der Angriffe gegen Jugoslawien gefordert, die
Verbrechen der serbische Armee verurteilt, aber auch "die Übergriffe und der Terror der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK".
Des weiteren wird ein Unterbinden des Waffenzuflusses in Krisengebiete gefordert. In Marburg wurde die Initiative "Nein zum
Krieg" gegründet, der neben der Deutschen Friedensgesellschaft, dem Arbeitskreis "Rat und Hilfe im Asyl" auch der
Marburger DGB beitrat. Die Organisationen plädieren für den sofortigen Stopp der Bombardierung Jugoslawiens und die
Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Die Fachgruppe
Wirtschaftsdienste der HBV Berlin und andere KollegInnen aus der IG Medien Berlin/Brandenburg und der IG Metall Berlin haben eine
Kampagne eigener Art gestartet: Sie riefen angesichts der Äußerungern des DGB dazu auf, diesen "nicht länger mit
unseren Mitgliedsbeiträgen zu finanzieren. Wir Gewerkschaftsmitglieder sind nicht bereit, diesen schweren Satzungsverstoß
schweigend hinzunehmen. (Die Satzung verbietet Angriffskriege und ruft zur Völkerverständigung auf!) Daher kürzen wir
unseren Gewerkschaftsbeitrag um die an den DGB abzuführende Summe von 12 %."
Trotz dieses Chors von Gegenstimmen wollen die meisten Vorstände der DGB-Gewerkschaften
zum Thema deutsche Kriegsbeteiligung keine Stellung beziehen. So sagte der ÖTV-Sprecher Harald Reutter zur Frankfurter Rundschau:
"Wir überlassen das dem DGB." Immerhin rief der DGB zur Teilnahme am diesjährigen Ostermarsch auf, der unter dem
Motto "Deutsche Außenpolitik muß Friedenspolitik sein" stand.
Anfang April wurde das "Forum Gewerkschaften" gegründet, um gegen den Krieg zu mobilisieren.
Aus den Gewerkschaften wurden 400 Erstunterschriften für ein Ende der Bombenangriffe und die Einberufung einer Balkankonferenz
unter der Regie der Vereinten Nationen gesammelt. Unter Berufung auf das 1996 beschlossene DGB-Grundsatzprogramm setzen die
UnterzeichnerInnen vor allem auf eine Stärkung der UNO. Der "Eigenlogik des Krieges" werde durch die NATO-Luftangiffe,
die zudem eine Verletzung des Völkerrechts darstellten, keine Grenzen gesetzt. Die NATO werde unter der Führung der USA zu
einer "demokratisch nicht mehr kontrollierbarenWeltmacht".
Bereits die ehemalige unionsgeführte Bundesregierung habe durch ihre Unterstützung der Separation die Lage
verschärft und die "Chance verspielt, den Schutz der Minderheiten und ein friedliches Nebeneinander zur Bedingung zu
machen." Auch die neue Regierung zeige außenpolitische Konzeptlosigkeit und eine erschreckende
Geschichtsvergessenheit.
Insgesamt spricht sich das Forum im
Gegensatz zu Schulte für eine Ächtung des Krieges als Mittel der Politik aus.
Die immensen Kosten des Krieges werden die abhängig Beschäftigten durch Stellenabbau im
öffentlichen Dienst und weiteren Sozialabbau zu tragen haben, so der bayerische ÖTV-Vorsitzende Michael Wendl.
Monika Piendl