Sozialistische Zeitung |
Für dieses Ziel organisierten linke Aktivisten aus Betrieben und Branchen sowie von den Zeitungen
express und Sozialismus am 16. und 17.4.99 eine Tagung in Frankfurt/M. Die Einladung ging noch vom Hauptthema "Bündnis
für Arbeit" und "Alternativen zu Standort- und Sozialplanlogik" aus. Aber wie überall überschattete und
änderte der Krieg im Kosovo auch hier das Thema. Um so solidarischer verlief die Diskussion unter den über hundert
Teilnehmern.
Die Hauptreferenten Frank Deppe und Helmut Schauer sprachen von einer Zäsur, die sich nicht mehr nur an der Frage einer Fortsetzung
neoliberaler Steuer- und Sozialpolitik seit dem Regierungswechsel festmachen lasse, sondern insbesondere am Kriegseintritt
Deutschlands.
Die massive Zurückweisung der Kriegsunterstützung durch den DGB-Vorsitzenden Schulte war der erste und wichtigste Konsens
der Tagung. Die Diskussion über den Krieg muß innergewerkschaftlich und außerparlamentarisch intensiviert werden,
hieß es weiter.
Ein Betriebsrat aus Mannheim brachte es auf den Punkt: "Das Bündnis für Arbeit ist nun zu einem Bündnis für
Arbeit und Kriegsfähigkeit geworden! Damit haben wir nichts mehr zu tun!"
Die Konferenz startete mit Berichten und Diskussionen über Alternativen zur herrschenden Gewerkschaftspolitik am Beispiel des
Einzelhandels bei Schlecker und Metro (siehe auch Bericht von Anton Kobel in express 3/99), der Autoindustrie am Beispiel der Fusion
Daimler-Chrysler, und des öffentlichen Dienstes. Hier wurde schon deutlich, eine Vernetzung und Zusammenführung der
Opposition in Betrieben und Gewerkschaften ist dringend nötig.
Das war auch der Ausgangspunkt für die Initiative zu dieser Tagung, die von Tom Adler und Bernd Riexinger im letzten Jahr mit Artikeln
und Veranstaltungen gestartet worden war. Ein Minimalziel, dies organisatorisch einzuleiten, wurde erreicht.
Helmut Schauer ging auf die veränderte politische Funktion der Gewerkschaften ein. Da es nach dem Regierungswechsel keinen
Richtungswechsel gegeben habe, sei die Beteiligung am "Bündnis für Arbeit" äußerst fragwürdig.
Undemokratische Entscheidungsfindung, Entpolitisierung, keine neuen Impulse angesichts der Ohnmacht der Politik gegenüber
Kapitalinteressen: das seien die Folgen.
Auch innerorganisatorisch orientierten sich der DGB und die Fusionsgewerkschaften seiner Erfahrung nach an wettbewerbsfördernden
Managementpraktiken und damit am "Shareholder-value-Kapital"; so werde noch der Niedergang des Reformismus gefördert.
Die gewerkschaftliche Linke habe damit aber auch ein Problem, denn eine historische Alternative wie noch vor Jahren könne sie nicht
mehr aufzeigen.
Seine Losung: "Es gibt eine Gewerkschaftsbewegung, oder gar keine!" klang mehr nach Nostalgie als nach neuem Aufbruch - das
werden vor allem linke Frauen so nicht mehr unterschreiben wollen.
Helmut Schauers Vorschläge, durch Herausstellung der Verteilungsfrage, auch in tarifpolitischen Aktionen, wieder in die Offensive zu
kommen, zeigten aber auch noch eine konzeptionelle Schwäche. Mehrere Diskussionsredner verlangten die Ergänzung um
arbeitszeitpolitische Elemente, nicht nur in der Tarif-, sondern auch in der Bundespolitik. Der Verweis auf Frankreich stand dabei im
Raum.
Frank Deppe betonte die Zäsur, die der Krieg nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch zunehmend darstellt. Erneut suche das
Kapital Auswege aus Akkumulationskrisen im Krieg. Allein die jetzige und zukünftige Bindung öffentlicher Mittel durch
Kriegshandlungen und offensichtliche Folgeschäden lege auf Jahre fest, daß keine weiteren sozialen Pläne zu finanzieren
seien. Zusammen mit der Zäsur nach Beendigung des "golden age" des rheinischen Kapitalismus, nach jahrelanger
neoliberaler Politik, zwinge uns das, auf andere Fragen als in den 80er Jahren zu antworten.
Die Gewerkschaften, die das Primat der Wettbewerbsfähigkeit im Wesentlichen anerkannt haben, sollen im "Bündnis
für Arbeit" daran gefesselt werden. Die gerade auf dem Tisch liegenden Vorschläge für einen Niedriglohnsektor durch
Bodo Hombach zeigen sehr deutlich, worauf das hinausläuft. Der Verweis auf betriebliches Aushandeln tariflich geregelter
Arbeitsverhältnisse führt zur Auflösung der Flächentarifverträge und damit zur Entmachtung
überbetrieblicher gewerkschaftlicher Strukturen. Die zusätzliche Schwächung des DGB durch die Politik der
Mitgliedsgewerkschaften, aber auch die Besetzung der Ämter mit Leuten wie Schulte, führt zu Desorientierung und
Entpolitisierung.
Die Gewerkschaftslinke muß nach wie vor von der Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen ausgehen und darüber zu
einer Interessenvertretung und Kampforientierung finden.
Sie sei auch ein Hoffnungsträger, wenn sie eine "plurale Linke" mit Diskussionspotential sei, die sich nicht (mehr) von den
Parteien der politischen Linken her bestimme, und die international und europäisch verbinde.
Gerade diese Ausführungen kamen auf der Tagung sehr kurz, und es ist zu hoffen, daß der hier bestehende Diskussionsbedarf bei
den beteiligten Gruppen und Zeitungen in nächster Zeit befriedigt werden kann.
Der Kern der Debatte jenseits der Kriegsfrage aber drehte sich um das "Bündnis für Arbeit", weil sich hier die Linke
vom offiziellen Kurs absetzt, aber auch von der Vorstellung, bei Erfüllung bestimmter Bedingungen wäre das Bündnis eine zu
tolerierende Veranstaltung (wie sie etwa Horst Schmitthenner vertritt, der sich der Losung "Raus aus dem Bündnis für
Arbeit" nicht anschließen mag).
Unter Anerkennung des Zusammenhangs zwischen Lohnhöhe und Beschäftigung haben die Gewerkschaften seit dem ersten
Vorschlag von Zwickel vor Jahren dieses Bündnis mit Hoffnungen besetzt, die nie erfüllt werden konnten. Die Unternehmer haben
kategorisch erklärt, daß sie keinerlei Arbeitsplatzzusagen machen können. Sie sehen den Staat in einer Hilfsfunktion für
die Durchsetzung niedriger Steuern und niedriger Lohnkosten.
Da Schröder den Erfolg seiner Regierung an die Arbeitsplatzfrage geknüpft hat, haben ihn die Unternehmer in der Hand und
können die Regierung zu Zusagen erpressen, wie es sofort nach dem Rücktritt von Lafontaine in der Unternehmensbesteuerung der
Fall war. Und die Gewerkschaftsvertreter akzeptieren, daß Lohnzurückhaltung (die ja von Zwickel bei Arbeitsplatzzusagen der
anderen Seite angekündigt waren) positive Folgen für die Arbeitsplätze hat.
Das "Ende der Bescheidenheit" hat noch nicht einmal einen Ausgleich der Produktivitätsgewinne gebracht, und die
Lohnerhöhungen der Jahre davor bewegten sich im Bereich der Preissteigerungen, also trugen erneut zur Umverteilung zugunsten der
Gewinne bei, ohne daß mehr Beschäftigung herausgekommen wäre.
In der Diskussion wurde gefordert, ein Zusammenschluß der Gewerkschaftslinken müsse eindeutig gegen dieses Bündnis
für Arbeit Stellung beziehen, den Ausstieg fordern, und Gegenbewegungen unterstützen. Insbesondere zu Forderungen der
Arbeitszeitverkürzung müsse mehr gemacht werden.
Die Gewerkschaftslinke will einen Informations- und Adreßpool bilden, der örtlichen Zusammenhängen zur Verfügung
steht, bspw. bei tariflichen Konflikten.
Es wurde ein Arbeitsausschuß aus Vertretern der beteiligten Initiativen und Koordinationen gebildet, der die Ergebnisse der
Arbeitstagung zusammenfaßt und eine weitere Arbeit ermöglichen soll.
Die gute Diskussion entlang sachlicher Konzepte läßt erwarten, daß mit dieser Koordination ein Schritt gemacht wurde, um
den Bereich kritischer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit voranzubringen. Der Mangel an mitdiskutierenden Frauen war deutlich. Ihre Fragen
und Probleme mit den Gewerkschaften und der Linken kamen so gut wie nicht vor. Hier zeigt sich ein Defizit, das sich nicht nur in den
Gewerkschaften, sondern auch in der oppositionellen Strömung zeigt. Die Gründe dafür sollten die Männer sich
bemühen auszumachen. Die Behebung dieses Mangels ist eine Notwendigkeit. Gelänge dies, hätte die Gewerkschaftslinke
praktisch und konzeptionell eine wichtige Hürde genommen.