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Gibt es Konzentrationslager im Kosovo? Keimt dort der "neue Faschismus"? Ist es legitim, im
Zusammenhang mit der serbischen Vertreibungspolitik von "Völkermord" zu sprechen? Ja, lautet unisono die Antwort von
Außenminister Joseph Fischer und Kriegsminister Rudolf Scharping.
Mit gerunzelter Stirn und sorgenvoller Mine beklagte Fischer, im Falle Kosovos ginge es um "Nie wieder Krieg" oder "Nie
wieder Ausschwitz". Er entschied sich für das zweite Motto und instrumenalisierte damit die singuläre, industrielle
Massenvernichtung von Juden für den jüngsten Luftkrieg der NATO. Einige Tage später protestierten jüdische
Überlebende mit Großanzeigen in überregionalen Tageszeitungen gegen die unzulässige Gleichsetzung. Auch die PDS
fordert in einer Anfrage an die Bundesregierung den längst überfälligen Beweis für die Existenz von
"Konzentrationslagern" in Jugoslawien oder im Kosovo.
Der sonst so gewitzte grüne Außenminister scheint auf einmal unter einem schlechten Gedächtnis zu leiden. Denn bis im
März 1999 gab das ihm unterstellte Auswärtige Amt im Zusammenhang mit Asylverfahren Lageberichte an Verwaltungs- und
Oberverwaltungsgerichte ab, in denen weder von "Völkermord", noch von "Konzentrationslagern" die Rede ist.
Auf Grundlage dieser Lageberichte lag die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus dem Kosovo in bundesdeutschen Asylverfahren
nur bei 2,5 Prozent. 97,5 Prozent der Kosovaren wurden abgewiesen.
Bereits am 16.Oktober des vergangenen Jahres hatte die Bundesregierung ihr grundsätzliches Einverständnis zur NATO-
Bombardierung Jugoslawiens "zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo" abgegeben. Noch mehr als einen
Monat später, am 18.Nobember, hieß es jedoch in einem Lagebericht des Auswärtigen Amtes: "Im Kosovo selbst hat
sich die schwierige humanitäre Situation etwas entspannt. Die Rahmenbedingungen für die Versorgung von Bedürftigen
haben sich verbessert … Die Kampfhandlungen im Kosovo wurden von beiden Seiten mit militärischen Mitteln geführt, wobei auf
serbisch-jugoslawischer Seite die Sicherheitskräfte bei der Einnahme von Ortschaften auch mit schweren Waffen vorgingen. Beim Einzug
der serbischen Sicherheitskräfte in zurückeroberte Ortschaften kam es zu Übergriffen gegen dort verbliebene Bewohner. Die
durch die Presse wiederholt gemeldeten ‚Massaker und Meldungen über ‚Massengräber trugen zur Beunruhigung
der Flüchtlinge bei, konnten jedoch durch internationale Beobachter bislang nicht bestätigt werden." Das Ergebnis:
"Die Wahrscheinlichkeit, daß Kosovo-Albaner im Falle ihrer Rückkehr in ihre Heimat massiven staatlichen Repressionen
ausgesetzt sind, ist insgesamt als gering einzustufen."
Eine Woche nach Beginn der Luftangriffe, am 31.März, änderte sich der Ton des Ministeriums schlagartig. Der jugoslawische
Präsident Slobodan Milosevic hätte seit 1990 die "Etablierung eines Apartheitssystems" betrieben und dabei
"eine gezielte Vertreibunsstrategie" und eine "Politik der verbrannten Erde" begonnen, um den Albanern den
"Verbleib in den Häusern und Dörfern unmöglich" zu machen. Trotzdem hat das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sogar nach Kriegsbeginn noch Ablehnungsbescheide für Flüchtlinge aus dem
Kosovo verschickt.
Auch heute steht der Umgang mit den Flüchtlingen aus dem Kosovo im auffälligen Kontrast zu der "humanitären
Hilfe" der Bundeswehr. Die 10.000 Kosovo-Albaner bekommen nur eine kurzfristige Aufenthaltserlaubnis von drei Monaten und erhalten
keinesfalls Asyl. Die innenpolitische Sprecherin der PDS, Ulla Jelpke, klagt die Bundesregierung an, "ihr Verhalten gegenüber den
Kosovo-Flüchtlingen nur deshalb geändert" zu haben, "um die NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien zu
legitimieren".
Gerhard Klas