Sozialistische Zeitung |
Am 30.April 1998 ratifizierte der Senat der USA mit einer Mehrheit von 80 von 100 Stimmen einen
"Grundsatztext", der festlegte: Die Beschlüsse und Aktionen der NATO erfolgen unabhängig von jedem anderen
zwischenstaatlichen Forum wie UNO, OSZE, Euroatlantische Partnerschaft usw.; Rußland besitzt keinerlei Vetorecht gegenüber
den Entscheidungen der Allianz, auch nicht im Rahmen des ständigen NATO/Rußland-Rats; die NATO kann sich außerhalb
ihres eigenen Territoriums engagieren, wenn sich ihre Mitglieder darüber einig sind, daß ihre Interessen (nix mit
Menschenrechten!) bedroht werden; die Führungsrolle der USA in der NATO wird bestätigt, und damit auch die Ausübung
der obersten Kommandoposten durch amerikanische Offiziere; die militärischen und finanziellen Lasten sollen "gerechter"
verteilt werden, wobei sich die Erweiterung nicht in einem höheren Finanzzuschuß der USA am NATO-Haushalt niederschlagen
darf.
Das erklärt innerhin die Haltung zweier außenpolitischer Profis: Helmut Schmidt, der feststellte: "Gegängelt von den
USA haben wir das internationale Recht und die Charta der Vereinten Nationen mißachtet." Und Henry Kissinger, früherer
US-Außenminister, der klar machte: "Wenn die Leichen in Kosovo unsere moralische Empfindlichkeiten derart verletzten, warum
taten wir nichts in Ostafrika, Sri Lanka, Kurdistan, Kashmir, Afghanistan - um nur einige Gegenden zu nennen, wo viel mehr Menschen gelitten
haben … die Serben lehnten das Rambouillet-Abkommen ab, weil sie die Anwesenheit von NATO-Truppen als die Art ausländischer
Besatzung ansehen, wogegen Serben historisch gegen türkische, österreichische Imperien, gegen Hitler und Stalin kämpften
… es war ein ernsthafter Fehler, alle Versuche aufzugeben, die Beobachter in Kosovo zu verstärken, zugunsten von NATO-
Friedensschützern, die keinen Frieden zu schützen finden werden."
Wie aber sind die Verhandlungen in Rambouillet verlaufen? Ralph Hartmann, DDR-Botschafter in Belgrad (1982-1988) schildert sie
wahrheitsgemäß so: "Die NATO hat direkte Verhandlungen mit den separatistischen Führern der Kosovo-Albanern
gefordert. Belgrad hat sich zwanzig mal an den Verhandlungstisch gesetzt. Die Albaner erschienen nicht. Die NATO hat den Abzug der
jugoslawischen Sicherheitskräfte, die Stationierung von 2000 OSZE-Beobachtern und die Luftraumüberwachung durch NATO-
Flugzeuge gefordert. Belgrad hat zugestimmt … Die NATO hat den 10-Punkte-Katalog der Kontaktgruppe [an der die Russen beteiligt waren]
vorgelegt: Waffenstillstand, Amnestie für die UÇK, weitestgehende Autonomie für Kosovo … Belgrad hat auch dies unterzeichnet,
die UÇK verweigerte die Zustimmung, weil sie eben die Abtrennung des Kosovo will … Erst als sich die NATO alle wesentlichen
Forderungen der UÇK zu eigen machte und von Jugoslawien nicht nur die Okkupation Kosovos, sondern ganz Jugoslawiens und die Abtrennung
Kosovos nach drei Jahren forderte, konnte Belgrad nicht mehr zustimmen."
Wenn jetzt die G8-Außenminister gemeinsam erklären, daß sie eine politische
"Übergangsrahmenvereinbarung" schaffen wollen, die eine "substantielle Selbstverwaltung" (also keine
Loslösung) für Kosovo vorsieht sowie die Beachtung "der Prinzipien der Souveränität und territorialen
Unversehrtheit Jugoslawiens" und "die Demilitarisierung der UÇK", dazu noch "Sicherheitspräsenzen in Kosovo,
die von den Vereinten Nationen gebilligt" sind, muß man sich doch fragen: War erst die Vertreibung von 600.000 Kosovaren und
die Bombardierung Jugoslawiens in die Steinzeit nötig, um das zu erreichen, wozu im Prinzip Belgrad in Rambouillet seine Zustimmung
gegeben hatte?
Oder ist diese Erklärung der G8-Außenminister nur abgegeben worden, "um aus den innenpolitischen Kesseln, die in so
manchem Mitgliedsland der NATO schon gefährlich ächzen, Dampf abzulassen", wie die FAZ am 7.Mai meinte. Denn immer
noch werden die Bombardements für den Frieden fortgesetzt.
Jakob Moneta