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Er ist gegen den Krieg mit diesen Mitteln. So lautete die Grundaussage der Rede Oskar Lafontaines auf der
Kundgebung des DGB am 1.Mai in Saarbrücken.
Der Beifall setzte schon lange vor der Rede ein. Allein sein Betreten der Bühne löste bei vielen der rund 6000-8000 Zuschauenden
im Deutsch-Französischen Garten - der saarländische DGB rechnete die Zahl auf 12.000 hoch - Tränen der Rührung
aus.
Mit geschlossenen Augen, ohne Anblick der steif mit verkniffenen Gesichtszügen auf der Bühne stehenden
Gewerkschaftsfunktionäre, konnte man sich auf dem Konzert eines Rockstars oder einer Boygroup mit Teeniecharme wähnen. Alles
andere geriet an diesem Tag zur Nebensache…
Den größten Teil seiner knapp einstündigen Rede verwendete Lafontaine auf die Klarstellung seiner Haltung zum
Jugoslawienkrieg. Er schloß einen Militärschlag gegen Jugoslawien nicht generell aus, kritisierte aber die aktuellen Angriffe als
schlecht organisiert. Es sei falsch gewesen, sich nicht die Frage zu stellen, was denn passiert, wenn Milosevic nach zwei Tagen
Bombenangriffe nicht unterschreibt. Ein eindeutiges Bekenntnis zum Diktat von Rambouillet. Doch die Bombardierung von Wohngebieten,
Ölraffinerien und Brücken zerstöre das, was angeblich geschützt werden soll.
Ausdrücklich begrüßte er die Ankündigung Schröders, einen Marshallplan zum Wiederaufbau Jugoslawiens
aufzulegen, fragte aber, welchen Sinn es mache, vorher zu zerstören. Weitergehende Fragen nach den Interessen - Rohstoffe, Ex-UdSSR -
stellte er nicht.
Als grundlegenden Fehler bezeichnete er die Nichtberücksichtigung der UN und damit die Selbstmandatierung der NATO sowie das
Ausnützen der Schwäche Rußlands.
An die Adresse der alten Bundesregierung gerichtet bezeichnete er die vorschnelle Anerkennung Sloweniens und Kroatiens als falsch und
mitverantwortlich für den jetzigen Krieg. Mit diesem deutschen Sonderweg sei der Boden für eine ausufernde Kleinstaaterei auf
völkischer Grundlage auf dem Balkan bereitet worden.
Kritik übte er an der Sprachregelung der NATO, die beim Töten von Menschen und Zerstören lebenswichtiger Infrastruktur
von "Kollateralschäden" spricht. "Ich fordere die Verantwortlichen auf daraufhinzuwirken, das Bombardement
einzustellen", lautete seine zentrale Forderung.
Ausdrücklich verwahrte er sich gegen die Bezeichnung Schröders als Kriegskanzler und seinen Vergleich mit Hitler auf einem
Plakat, das während der Demonstration hochgehalten wurde. Das Transparent wurde nach der Rede Lafontaines beschlagnahmt und die
Personalien des Besitzers demonstrativ vor laufenden Kameras aufgenommen.
Auffallend war seine große Zurückhaltung mit Kritik gegenüber Schröder und der Regierung. "Die Wirtschafts-
und Finanzpolitik, die wir in den letzten Monaten gemacht haben, war richtig. Sie muß fortgesetzt werden." Er mahnte die
Umsetzung des erteilten Wählerauftrags an und warb für zarte keynesianische Ansätze. Erst eine an die Produktivität
angelehnte Lohnpolitik schaffe Arbeitsplätze.
Unter Beifall forderte er die Schaffung eines "Wahrhaftigkeitsgesetzes", das wirtschaftsfreundliche Berater und Kapitalvertreter
verpflichten soll, ihr eigenes Leben an den erteilten Ratschlägen über Lohnzurückhaltung und Aufhebung des
Kündigungsschutzes auszurichten.
Roland Röder (Aktion 3.Welt Saar)