Sozialistische Zeitung |
Sozialdemokratische Regierungen sind besser für die Börse", behauptet der Fonds-Manager
Gottfried Heller. Er ist Partner des berühmten Börsen-Hais Kostolany und begründet seine Ansicht so: Mitte-Links-
Regierungen gelten als wenig unternehmerfreundlich. Um dieses leidige Image loszuwerden und es den Arbeitgebern recht zu machen, tun sie
ihnen besonders viel Gutes. Genau umgekehrt verhalten sich Mitte-Rechts-Regierungen, stellt der Börsianer fest. Der Zuneigung ihrer
natürlichen Freunde, der Unternehmer sicher, kümmern sie sich mit Hingabe um die Arbeitnehmer. So würden die
knochenhärtesten Konservativen zu sozialen Wohltätern.
"Wer hätte das gedacht? Vertrauen wir einfach den Börsen-Spezialisten. Die sind für ihre gute Nase
berühmt", kommentiert dies sarkastisch direkt, der Info-Dienst der IG Metall. Hängt aber nicht auch von der Haltung der
Gewerkschaftsführung ab, ob Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Regierungen sich "mit Hingabe um die Arbeitnehmer
kümmern"?
Als im Dezember 1966 die große Koalition von CDU/CSU mit der SPD gebildet und von der kleinen SPD-FDP-Koalition im Oktober
1969 abgelöst wurde, die erst im Oktober 1982 zu Ende ging, weissagten linke Auguren, die Gewerkschaftsführung werde sich
ihrer mitregierenden SPD völlig unterordnen. In sozialen Kämpfen werde sie absolute Enthaltsamkeit üben. Aber das
Gegenteil traf ein. Es gab nicht nur die spontane Streikbewegung von 1969, sondern mehr gewerkschaftliche Arbeitskämpfe und
Massendemonstrationen als je zuvo, die meisten erfolgreich. Gewiß, Willy Brandts Versprechen einer Ära der "permanenten
Reform" hatte Erwartungen und Hoffnungen geweckt, die diese Bewegungen erfüllen wollten.
Die "rot"-grüne Koalitionsregierung trat vor allem als Reparaturwerkstatt für die in der 16jährigen Kohl-
Herrschaft angerichteten sozialen Schäden an. Die SPD-Abgeordneten Gerno Erler und Michael Müller verkündeten stolz,
die neue Regierung habe ihr ehrgeiziges 100-Tage-Wahlversprechen "rasch, pragmatisch und fast buchhalterisch Punkt für Punkt
abgearbeitet ... Einstieg in die Öko-Steuer, Erhöhung des Kindergelds, Rücknahme sozialer Demontagen, modernes
Staatsbürgerrecht, erste Stufe einer umfassenden Steuerreform, Beginn der Neuordnung von Renten und Gesundheitsversorgung."
Mehr sei in so kurzer Zeit kaum möglich gewesen. "Aber komisch", stellten die beiden Sozis fest - irgendwie hat es doch
nicht funktioniert: Nicht die Erfolge, sondern handwerkliche Fehler, mangelnde Geschlossenheit und ‚Nachbesserungen bestimmten das
Bild."
Das Bild wurde inzwischen aber nicht nur vom Rücktritt Oskar Lafontaines und vor allem von Kosovo-Krieg geprägt, es
erhält auch gewaltige Kratzer vom angekündigten Sparkurs des neuen Finanzministers Hans Eichel. Vergeblich bleibt die Suche
nach dem Beitrag, den die Reichen und Superreichen zur Deckung der Milliardenlöcher im Staatshaushalt zu leisten haben werden. Die
Gewerkschaftsführungen hüllen sich bisher in Schweigen.
"Plötzlich wollen sich die heute Verantwortlichen nicht nehr an ihre Koalitionsabsprachen erinnern lassen, eine Kommission
über die Wiedereinführung einer Vermögensbesteuerung zu bilden, um eine der Ursachen für den armen Staat zu
beheben", schreibt der Wirtschaftsexperte Rolf Dieter Schwartz. Und er fügt hinzu: "Mit einem Mal sind die
Repatriierungsforderungen an die Adresse der Steuer- und Kapitalflüchtlinge in die benachbarten Steuroasen vergessen, die im rot-
grünen Wahlprogramm obenan standen. ‚Out ist das Denken von gestern, mit Zwangskassen des sozialen Ausgleichs zurück
ins Reich Bismarcks rudern zu wollen. ‚In sind dafür die Rezepte von vorgestern … den Wirtschaftsablauf sich selbst zu
überlassen und statt der öffentlichen Hand die unsichtbare Hand des Marktes zum Ordnungshüter zu
ernennen."
"In" ist selbstverständlich auch vor allem am "Sozialstaat" zu sparen zu wollen und zu verheimlichen, mit
wievielen Milliarden die USA ihren wichtigsten NATO-Verbündeten, die BRD für Krieg, Zerstörung und Wiederaufbau in
Kosova und Jugoslawien zur Kasse bitten werden. Und wer hierfür abkassiert werden soll.