Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 27.05.1999, Seite 5

‘Wir sind wieder da!‘

Nazis und der Jugoslawienkrieg

So wirbt der Buchdienst von Nation & Europa, Ausgabe April 1999, in der Truppe für Naziliteratur: "1941 und 1999 - 58 Jahre deutsche Friedensmissionen! - Für unsere Soldaten an der Balkan-Front" - im Angebot: CD mit Aufnahmen vom Soldatensender Belgrad; "Werwolf", ein Leitfaden zur Partisanenbekämpfung; "die Kollaboration", eine Lobeshymne des Ex-Bundeswehr-Professors Dr. Franz W. Seidler auf kroatische Faschisten; "Lieder, die wir einst sangen", zeitlose deutsche Soldatenlieder. Auch ein Taschenbuch für das "militärische Bergsteigen in der jugoslawischen Bergwelt" aus dem Jahre 1943 zirkuliert in der Bundeswehr. All dies dürfe im Marschgepäck deutscher Soldaten nicht fehlen - Feldpost in die Einsatzgebiete sei portofrei.
  Trotz Kritik der Rechten an den NATO-Bombardements wird die Kontinuität deutschen Engagements auf dem Balkan positiv aufgegriffen. Die Zeitschrift Nation & Europa, die älteste Theoriezeitschrift im Umfeld von NPD, DVU und REPs, titelt mit deutschen Panzern und Bombern sowie der Überschrift: "Wir sind wieder da." Erst nach diesem Kampfruf folgt die Ablehnung der NATO-Intervention, etwa in Form eines Fotos von einem Flüchtlingszug mit Kosovo-Albanern. Untertitel: "Auf dem Weg nach Deutschland". Der Tenor des Artikels lautet: Das deutsche Volk schafft sich selbst ab, die Amis wollen das so. Im Mittelpunkt der Kritik rechter "Vordenker" am NATO-Bombardement steht nicht die materielle und staatliche Zerstörung Jugoslawiens. Kritisiert wird, daß die NATO-Intervention unter Regie der USA stattfindet - frei nach dem Motto ‘Germans to the front‘. Die USA wollten mit ihrer Interventionspolitik und neuen Flüchtlingsbewegungen das ethnische Gleichgewicht in Mitteleuropa noch mehr zerstören und Europa destabilisieren.
  In demagogischer Anlehnung an die Friedensbewegung und mit Blick auf eine breite Ablehnung und Skepsis in der Bevölkerung versuchen rechte Gruppen völkische und rassistische Stimmungen wieder anzuheizen. Die neue Integrationsfigur der Rechten, Alfred Mechtersheimer, agiert als pazifistischer Nationalist. Er verteidigt weiter die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, kritisiert aber die rot- grüne Regierung als verbrecherisch, weil sie Zuwanderung organisiere.
  Der Europaparteitag der REPs beklagte die Demontage des Völkerrechts; bislang war die Partei gegen antirassistische UN- Grundsätze immer Sturm gelaufen. Franz Schönhuber, der wegen stolzen Bekenntnissen zu SS und Wehrmacht in rechten Kreisen weiter breite Anerkennung genießt, lobt jetzt den Pazifismus Bertha von Suttners als "weltweit auch auf der rechten Seite für bedenkenswert". NPD und Junge Nationaldemokraten erstatteten Anzeige gegen Verteidigungsminister Rudolf Scharping wegen Verfassungsbruchs. Horst Mahler, Alt-68er und Ex-RAF-Anwalt, der inzwischen die Seiten gewechselt hat, ruft unter dem Motto "Wir sind das Volk!" auf NPD-Veranstaltungen zum nationalen Widerstand auf. Auch die neurechte Wochenzeitschrift "Junge Freiheit" titelte: "Nato-Angriff nicht im Interesse der Europäer".
  Der vermeintliche Antikriegskurs der Rechten lehnt sich demagogisch an die Argumente der Friedensbewegung an. Vorsicht ist geboten, denn die Neue Rechte sucht nach Akzeptanz, biedert sich gar als Bündnispartner an. Nicht Frieden auf dem Balkan, nicht das solidarische Zusammenleben aller ist ihr Ziel, sondern neuer Haß zwischen den ethnischen Gruppen.
  Einig sind sich die Rechten, daß nicht die NATO, sondern Deutschland auf dem Balkan gestärkt werden müsse. Umstritten ist, ob sie für dieses Ziel den albanischen oder den serbischen Nationalismus unterstützen sollen. In der europäischen Naziszene gibt es gute Kontakte zu beiden Strömungen. Derzeit dominiert die antiislamische und antiamerikanische Verbundenheit mit serbischen Faschisten. Aber auch der großalbanische Kurs der UÇK wird in der Szene unterstützt, weil sie sich zuweilen positiv äußert zur deutschen Besetzung Albaniens im Zweiten Weltkrieg und zur Kollaboration gegen Titos Partisanen. Die Trennungslinie zwischen uns und ihnen ist eindeutig: Sie streiten sich, welcher Nationalismus der bessere ist; wir verurteilen jeden Nationalismus.
Bernhard Strasdeit


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