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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 10.06.1999, Seite 4

Basisgrün

Netzwerk der KriegsgegnerInnen

Zu einem linksalternativen Netzwerk gegen den Krieg fanden sich am 6.Juni etwa 600 Leute in der Dortmunder Universität ein. Dazu aufgerufen hatte der linke Flügel der Grünen, der mit der staats- und kriegstragenden Entwicklung der Partei nicht mehr einverstanden ist. Das Bündnis sollte Antikriegspositionen innerhalb und außerhalb der Grünen zusammenzubringen. Erklärtes Ziel war es, sich über neue politische Perspektiven auszutauschen und "der inneren Emigration sowie der politischen Isolation entgegenzuarbeiten". Betont wurde, daß es sich hierbei nicht um einen Wahlkampfverein der linken Grünen oder eine parteipolitische Alternative handele. Beabsichtigt sei vielmehr der Aufbau eines "antimilitärischen, ökologischen, soidarischen Netzwerkes".
Doch schon bald zeigte sich, daß der einzige gemeinsame Konsens die Ablehnung des von der grünen Regierungspartei mitgetragenen Krieges gegen Jugoslawien blieb. Unter einem großen Transparent "NATO zerschlagen, Fischer verjagen" wurden zwei Resolutionen diskutiert, über die am Ende abgestimmt werden sollte.
Der Aufruf des seit dem Bielefelder Parteitags Ex-Grünen Eckhard Stratmann-Mertens "Keine Stimme für die Kriegsparteien" bekam breite Zustimmung, aber Ablehnung bei denjenigen, die sich trotz allem noch zu den Grünen bekennen. Die Grünen hätten zur Lähmung und Entsorgung der Friedensbewegung beigetragen, so Stratmann-Mertens.
Auch Peter Rath vom Dortmunder Kreisverband übte harsche Kritik an der grünen Regierungspolitik. Sie habe inzwischen mehr Schaden angerichtet als Kohl in 16 Jahren. Auf dem Parteitag in Bielefeld sei der Wähhlerbetrug im nachhinein legitimiert worden. Kontrarednerin Astrid Rothe hielt es jedoch für falsch, eine Wahlempfehlung - insbesondere auch gegen die PDS - von einem Netzwerk zu geben, das sich gerade erst gegründet habe. Sie sehe einen schwierigen Balanceakt zwischen PDS und grüner Partei auf das Bündnis zukommen.
Der Hauptkonflikt entzündete sich an der Frage, wie grün das Netzwerk denn nun sein solle. Norbert Hackbusch aus Hamburg warnte vor radikalen Erklärungen und meinte, Stratmann-Mertens Antrag verschenke Chancen. Daniel Kreutz meinte, der Antrag Stratmann-Mertens komme einer Spaltung gleich. Der linke Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele erntete für sein Plädoyer, in der grünen Partei zu verbleiben und dort linke, soziale Positionen zu stärken jedoch kaum Zustimmung. Letztendlich setzte sich eine Mehrheit von 180 zu 160 durch, die gegen die EU-Wahlen Stellung bezog.
Erst fast am Schluß wurde eine Stimme laut, die sich kritisch zum Fortgang der Diskussion äußerte. Vera Hintzen, seit dieser Woche Ex-Grüne, kritisierte die fehlende Dynamik des Treffens. Sie wolle sich nicht mehr mit grünen Befindlichkeiten beschäftigen, sondern eine Bewegung, die Druck auf die Regierung ausübe.
Ein Vertreter der Karawane der Flüchtlinge und ImigrantInnen, die im Kreisverbandsbüro der Grünen in Köln einen Hungerstreik bis zum Ende der Gipfel durchführen, rief die Grünen dazu auf, "Teil der Lösung und nicht des Problems" zu sein. Buhrufe erntete der Vertreter des Kreisverbands Köln, der um Verständnis dafür warb, daß man nicht zulassen könne, daß die Hungerstreikenden sich im Büro der Grünen "selbst Schaden zufügen".
Am Ende wurde nicht einmal ein neuer formaler Arbeitsausschuß gebildet, weil die Versammlung sich plötzlich auflöste. Die bisherige Arbeitsgruppe um Annelie Buntenbach und Christian Simmert erklärte, für das Netzwerk nun nicht mehr zur Verfügung zu stehen, da sie den Aufruf zum EU-Wahlboykott der Grünen am 12.September nicht mittragen wolle. Es steht zu befürchten, daß die Noch-Grünen, sich jetzt ausgeschlossen fühlen könnten.
In den nächsten Tagen würden noch einmal Gespräche mit den Bundestagsabgeordneten geführt, so Stratmann-Mertens. Immerhin ist nun ein Strategiekongreß mit Personaldebatte im Herbst geplant. Außerdem ist beabsichtigt, eine Delegation der serbischen Opposition für Veranstaltungen in verschiedenen Städten einzuladen.
Bei der anschließenden Pressekonferenz bekräfigte Ulrich Cremer aus Hamburg, selbst Noch-Mitglied bei den Grünen, daß er nach wie vor den Optimismus habe, das Netzwerk auf die Beine zu stellen, es sei noch eine breite Bewegung da und es sei noch nichts gescheitert. Es handele sich um einen "neuen Einstieg in die Politik". Aber das war doch wohl eher ein Pfeifen im Walde. Dennoch blieb ein schaler Nachgeschmack angesichts der Brüchigkeit des Bündnisses.
Monika Piendl


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