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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.13 vom 24.06.1999, Seite 2

Grüne

Flüchtlinge ausgeliefert

Am 14.Juni räumte am frühen Morgen die Kölner Polizei mit knapp hundert Beamten das Kreisverbandsbüro der Kölner Grünen, das seit dem 4.Juni von 15 Flüchtlingen aus mehreren afrikanischen Ländern, Sri Lanka, Peru und Kurdistan besetzt worden war. Rechtliche Grundlage für die Räumung war ein Strafantrag wegen "Hausfriedensbruch" des grünen Kreisvorstandes, den sie bereits am Montag Mittag gestellt hatten. Außerdem beschuldigten sie die Flüchtlinge in ihrer schriftlichen Anzeige der "Sachbeschädigung" und des "Diebstahls", so ein Sprecher der Polizei.
Eigentlich hätten die Flüchtlinge, die mit der Besetzung einen Hungerstreik begonnen hatten, bis nach dem Weltwirtschaftgipfel am 20.Juni bleiben wollen. "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört", erklärten die Flüchtlinge im Hinblick auf das Treffen der mächtigsten Staatschefs ihre Aktion. Der grüne Kreisverband hatte zunächst die Besetzung toleriert, beklagte jedoch von Anfang an die eingeschränkten Möglichkeiten für den Europawahlkampf in Köln und wandte sich gegen die Form des Hungerstreiks, der nicht als "zeitgemäßes Mittel des Protests", sondern als "Gewalt gegen den eigenen Körper" zu werten sei, so Heidi Näpflein, Sprecherin des Kreisverbandes.
Der plötzliche Umschwung erfolgte nach Angaben Näpfleins auf der Vorstandssitzung des Kreisverbandes unmittelbar nach der Wahl zum Europäischen Parlament am Abend des 12.Juni. Sie verneinte gegenüber der SoZ einen Zusammenhang zwischen dem Entschluß zur Räumung und den ersten, für die Grünen beruhigenden Hochrechnungen. Vielmehr aus "Sicherheitsgründen" hätten sie die Besetzer vor dem Weltwirtschaftsgipfel räumen lassen, erklärte sie und verdächtigte die Flüchtlinge, "mit Drogen gehandelt" zu haben, und daß die Geschäftsstelle der Grünen "möglicherweise zur Planung von Attentaten" mißbraucht werden könne. Belegen konnte sie diese Anschuldigungen nicht. "Diese so offensichtliche Zuhilfenahme alter rassistischer Bilder zur Überzeugung der Öffentlichkeit von der Unrechtmäßigkeit des Anliegens der Flüchtlinge spricht Bände über die Entwicklung der Grünen Partei", so das antirassistische Netzwerk Kein Mensch ist illegal.
Obwohl Unterstützer der Flüchtlinge für die ärztliche Versorgung der Hungerstreikenden gesorgt hatten, behauptete Näpflein, daß diese nicht gegeben sei. Die Grünen seien immer um "die Einzelschicksale bemüht gewesen", so die Sprecherin weiter. Trotzdem ließen sie, obwohl ihnen der genaue Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge unbekannt war, die Geschäftsstelle räumen und gingen damit das Risiko von Abschiebungen ein. Die Bundestagsabgeordneten Edith Müller und Volker Beck, die ihre Abgeordnetenbüros im selben Trakt wie das Kreisbüro haben, trugen die Entscheidung mit.
Ein Sprecher der Kölner Polizei betonte die gemeinsame Interessenlage des Kreisverbandes und seiner Behörde. Von dem besetzten Büro ging "eine Gefahr für den Weltwirtschafsgipfel aus", so der Pressesprecher. Das Büro könne sich zur "Kommandozentrale" der geplanten Protestaktionen entwickeln, erklärte er gegenüber der SoZ. Das sei auch die Einschätzung der Grünen.
Mittlerweile sind alle Festgenommenen wieder auf freiem Fuß. Auch der schon Tage zuvor inhaftierte Alex aus Peru, der anschließend in die Abschiebehaftanstalt im nordrhein-westfälischen Büren gebracht wurde, ist am 20.Juni entlassen worden.
Gerhard Klas


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