Sozialistische Zeitung |
Die vom Kölner Netzwerk "Kein Mensch ist illegal"organisierte Veranstaltung im Rahmen
des Gegengipfels zum G7-Treffen in Köln begann mit dem Motto "Wir sind hier, weil ihr dort seid". Osiris Bayther,
Mitbegründerin des Menschenrechtskomitees in Kolumbien und nun im Exil, verdeutlichte dies in ihrem Bericht. Zahlreiche Mitglieder
des Komitees wurden bereits ermordet. Seit etwa 30 Jahren wird das Land von politischen Konflikten beherrscht und seit den 80er Jahren kann
man auf jeden Fall einen kapitalistischen Hintergrund dafür ausmachen.
Von Baythers Heimatregion, die früher zu 70% aus Landwirtschaft bestand, sind nur noch 30% landwirtschaftlich genutzter Fläche
übrig geblieben. Die kleinen Bauerndörfer wurden systematisch dem Erdboden gleichgemacht, um an das Erdöl zu
kommen.
Die Gegend sei ein Pilotprojekt des "kolumbianischen Terrors", dessen Paramilitarismus von westlichen Investoren gefördert
wird. Sie haben dem Land ein neues Wirtschaftssystem aufgezwungen, das Arbeitsplätze zerstörte und die Kluft zwischen arm und
reich immer größer werden ließ. Für die Menschen dort geht es nur noch um das reine Überleben.
Dies ist nur eines der Beispiele, die deutlich machen, warum die Menschen aus vielen Weltgegenden zu uns fliehen müssen und daß
die reichen Ländern an dieser Entwicklung nicht unschuldig sind.
Im zweiten Teil des Panels ging es um die Frage, was die Menschen hier erwartet. Mit den besonderen Schwierigkeiten von Frauen auf der
Flucht setzte sich das Referat von Beshid Hajafi von AGISRA (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexistische und rassistische
Ausbeutung) auseinander. Laut ILO sind die Hälfte der MigrantInnen Frauen, in Deutschland sind es 30-40%.
Der patriarchalische Arbeitsmarkt, ungeschützte, frauenspezifische Arbeit im informellen Sektor (Gastronomie, Haushalt, Prostitution,
v.a. in den Metropolen) fördert die Feminisierung der Migration. Dabei entsteht ein Spannungsfeld zwischen Migrantinnen und anderen
Frauen, denn auch weiße Frauen profitieren vom rassistischen System, z.B. wenn sie eine Ausländerin als Dienstmädchen
anstellen. In diesen ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen sind die Frauen meist auch stärker von Entdeckung und
Abschiebung bedroht.
Theophilus Emiowele Osezua von The Voice Africa Forum (afrikanische Flüchtlingsorganisation in der BRD, die sich in einem
Flüchtlingslager gegründet hat) stellte eine Verbindung her zwischen dem Sklavenhandel und der Kriminalisierung und
Abschiebung von MigrantInnen heutzutage.
Hassan Calhan aus dem Wanderkirchenasyl NRW berichtete von den Ergebnissen der Einzelfallprüfungen der Aachener Gruppe seit
Januar 1999, die zu einem niederschmetterndem Ergebnis geführt hätten. Im Anschluß an einen Hungerstreik war ihnen
versprochen worden, daß keine(r) der an der Kampagne beteiligten KurdInnen abgeschoben werden würde. Aber dann wurden nur
280 Leute für eine Woche oder einen Monat mit der Begründung geduldet, es gäbe in der Türkei ein "relatives
Recht auf Freiheit". Dabei werde jetzt auch im Westen der Türkei gegen die Kurden vorgegangen, ganze Familien säßen
in Gefängnissen. Die türkische Regierung setze weiter auf Krieg.
Nun soll die Aktion Ende des Monats, hoffentlich mit Hilfe vieler Organisationen, fortgesetzt werden. "Wir werden die Kirchen nicht
verlassen und falls notwendig unsere Zelte aufstellen."
In der anschließenden Diskussion wurde vor allem die fehlende Vernetzung in Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen
Ländern beklagt.
Ein Vertreter von "Kein Mensch ist illegal" kritisierte, daß viele Menschenrechtsorganisationen zu sehr aus der Defensive
kämpften und nur noch gegen die schlimmsten Verschärfungen vorgingen. Für realpolitische Forderungen nach einer
grundlegenden Änderung des rassistischen Ausländerrechts fehle aber momentan die politische Kraft im Lande. Die
Rassismuskritik müsse mit Staatskritk einhergehen.
"Kein Mensch ist illegal" fordert die Abschaffung aller Gesetze, die auf Kriminalisierung und Abschiebung abzielen.
Die Leitfrage des dritten und letzten Teils war die Organisation von Widerstand. Dazu sprach Madjiguène Cissé von den Sans
Papiers in Frankreich. Sie bezeichnete die Isolierung der Flüchtlinge als die größte Gefahr. Das Wichtigste sei es deshalb,
den Widerstand zu koordinieren. Die Sans Papiers haben auch den Kontakt zu anderen Teilen der sozialen Bewegung gesucht, um mit ihnen
gemeinsam zu kämpfen.
Ein Problem sieht Madjiguéne Cissé in der fehlenden Zirkulation von wichtiger Information in ganz Europa. Protest aus dem
Ausland und gemeinsame Aktionen hätten eine große Wirkung. Sie betrachtet die Lage als sehr ernst, denn Europa schließe
seine Grenzen.
Monika Piendl