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Nicht nur die Kölner SPD ist im Kommunalwahlkampf voll des Eigenlobs über Programme zur
Schaffung von Arbeitsplätzen. Auch die Bundesregierung unterstützt ein Pilotprojekt zur Zwangsarbeit für Jugendliche, das
vor einigen Wochen in Köln angelaufen ist. Kein geringerer als Bundesarbeitminister Walter Riester war angetreten, um die von Arbeits-
und Sozialamt gemeinsam betriebene "Jobbörse Junges Köln" zu eröffnen.
Mit ihrem 100000 Job-Programm hatte die neue Bundesregierung im November 1998 angekündigt, "möglichst jedem
Jugendlichen ein Angebot zu unterbreiten". Die Kölner Jobbörse und das Förderprogramm "Sprungbrett",
für das vom Arbeitsamt Köln und der Bundesregierung 20 Millionen zur Verfügung gestellt werden, entsprechen der
Umsetzung des Bundesprogramms auf lokaler Ebene. Junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren, die erstmals einen Antrag auf Sozialhilfe
stellen, werden künftig zur Jobbörse geschickt, wo sie einen "Praktikumsvertrag" mit einem der beteiligten
Träger angeboten bekommen. Der sozialversicherungspflichtige Job bringt maximal 850 Mark netto bei 30 Stunden Arbeit die
Woche.
Lehnt ein jugendlicher Antragsteller das angebotene "Praktikum" ab, bekommt er auch keine Sozialhilfe. Ebenso soll der Druck auf
die knapp 3000 von insgesamt 5300 erwerbslos gemeldeten Jugendlichen in Köln erhöht werden, die schon Sozialhilfe beziehen.
Werden sie zur Jobbörse zitiert und weisen das Praktikumsangebot zurück, droht ihnen einen Kürzung der Sozialhilfe um 25
Prozent.
"Die jungen Menschen sollen sich erst gar nicht daran gewöhnen, von Sozialhilfe zu leben", erklärt die zuständige
Sozialdezernentin Sabine Christiansen den Zweck der Maßnahme. Immerhin könnten die Praktikanten bis zu 300 Mark mehr als den
Sozialhilfesatz verdienen und die Stadt würde nach wie vor die Miete übernehmen.
Soziale Träger richten in Zusammenarbeit mit Unternehmen Jobs für Jugendliche ein. Z.B. für die Demontage von alten
Computern und Fernsehgeräten, die ein großes Recyclingunternehmen der Region anliefert und wieder abholt. Das Unternehmen
gibt zwar keine Abgabefristen vor, bezahlt aber auch keinen Pfennig für die Arbeit. Andere Jugendliche sollen das bis zu sechs Monate
dauernde Praktikum in niedrigqualifizierten Jobs auf dem Bau verrichten oder städtische Spielplätze reinigen. "Für
jeden wird ausgesucht, was für ihn das Richtige ist", freut sich die Sozialdezernentin. Und auch die Antwort der Bundesregierung
auf eine Anfrage der PDS zur "Umsetzung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit" betont, dass
"berufsspezifische Verwendungswünsche der Jugendlichen" beim Projekt der Stadt Köln "grundsätzlich
berücksichtigt" würden.
Trotzdem lehnten 20 Prozent der Teilnehmer eines Vorläuferprojekts aus Köln-Kalk, einem Stadtteil mit einer Erwerbslosenquote
von 18 Prozent, die Maßnahme zunächst ab. In einer Bilanz heißt es lapidar, die "jungen Erwachsenen verzichteten auf
den Bezug von Sozialhilfe bzw. auf entsprechende Beschäftigungsangebote". Nach einer Frist von zwei Wochen hätte jedoch
die Hälfte von ihnen doch noch in die Praktika eingewilligt, so die Bundesregierung. Auch die Mehrheit der Teilnehmer hätte das
"Hilfsangebot" zunächst "skeptisch und eher ablehnend" angenommen. Viele Jugendliche, so konstatiert das
Kölner Arbeitsamt aus den Erfahrungen der "Vorsprechtermine", wollen keineswegs eine befristete Arbeitsstelle, sondern
einen "Dauerarbeitsplatz".
In anderen Städten Nordrhein-Westfalens gibt es seit kurzer Zeit ähnliche Projekte. In Krefeld lädt die städtische
Zentralstelle für Beschäftigungsförderung ZFD jugendliche Sozialhilfeempfänger zu einem obligatorischen
"Informations- und Beratungsgespräch" ein. "Sollten Jugendliche aus nicht nachvollziehbaren Gründen die
unterstützenden Maßnahmen ablehnen, müssen sie damit rechnen, dass ihnen Leistungen gekürzt werden", so der
ZFD-Leiter Gerhard Ackermann. In der Stadt am Niederrhein gibt es zwar bisweilen höhere Löhne als in Köln, dafür
aber auch eine besonders enge "Klientenbetreuung" durch Sozialarbeiter. Die suchen Jugendliche auch schon mal zu Hause auf.
"Manchmal hole ich die Leute aus den Betten heraus", berichtet Roland Kamps, der für etwa 95 Jugendliche zuständig
ist. Schlüsselqualifikationen bei diesen Jugendlichen seien vor allem "Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit", so die
Einschätzung von Experten.
Was die einen als Maßnahme betrachten, die das "Abrutschen von Jugendlichen in kriminelle Milieus" verhindern soll, kommt
für die anderen schlicht und einfach dem "Zwang zur Arbeit" gleich. Für Wolfgang Lindweiler von der Kölner
PDS ist es sogar dieses Zwangsmodell, dass z.B. die 10 Prozent der Jugendlichen in "Schwarzarbeit und Kriminalität treibt",
die sich "nach einem solchen Angebot nicht mehr um Unterstützung bemühen".
Unter anderen Namen sprießen "Hilfsangebote" dieser Art auch im Saarland. In Chemnitz scheut der "Deutsche Verein
für öffentliche und private Fürsorge" nicht einmal den Vergleich mit der "Arbeitsfürsorge" aus der
Weimarer Republik. Die Sozialwissenschaftlerin Christa Sonnenfeld, jahrelang tätig für das Frankfurter Arbeitslosenzentrum
FALZ, misst diesen Projekten nicht nur eine Bedeutung für den praktischen, sondern auch für den "ideologischen Vormarsch
des Arbeitszwangs" bei. Für sie wird damit wieder einmal die "Unveräußerlichkeit der Grundrechte"
preisgegeben. Denn nach wie vor gilt Artikel 12 des Grundgesetzes, wonach niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden darf -
"auch nicht durch die Einschränkung des Leistungsbezugs", so Sonnenfeld.
Das sieht die Bundesregierung anders. Sie beruft sich auf das Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Demnach können sowohl
"gemeinnützige Arbeiten" als auch befristete Jobs mit arbeitsrechtlichem Schutz und Sozialversicherungsbeiträgen unter
Androhung des Sozialhilfeentzugs "vermittelt" werden. Und zwar gilt dort jede Arbeit als "zumutbar"; Qualifikations-
und Berufsschutz hat es für Sozialhilfebezieher nie gegeben. Die Bundesregierung beruft sich dabei auf Gerichtsurteile des als politisch
konservativ bekannten Oberverwaltungsgerichts Münster, das erst im März dieses Jahres den Verlust des Sozialhilfeanspruchs bei
der "Weigerung, zumutbare Arbeit zu leisten", für mit "höherrangigem Recht vereinbar" hielt.
Im Kölner Fall habe die Hälfte der ca. 3000 jugendlichen Sozialhilfeempfängern durchschnittlich 1200-1400 Mark im Monat
zur Verfügung - inclusive Mietkosten, so die Bundesregierung. "Eine Lehrstelle bzw. eine Teilnahme am ‚Sprungbrett ist
für diesen Personenkreis deshalb oft nicht attraktiv, zumal unter Umständen noch Einkünfte aus illegaler Schwarzarbeit zur
Sozialhilfe hinzukommen", vermutet Klaus Achenbach, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung.
Deshalb solle der "Entzug von Sozialhilfe in der Konsequenz für die Jugendlichen zu einem nachhaltigen Arbeitsanreiz
führen".
Bundesweit haben Arbeitsämter im Rahmen des "Sofortprogrammes zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit" bis Ende Juni in
3558 Fällen die Erwerbslosenbezüge ausgesetzt und in 10938 Fällen meldeten sie Jugendliche den
Sozialämtern.
Vorbild für das Kölner Modell sind die Niederlande. Dort sind kommunale Behörden mittlerweile zur Leihagentur für
Arbeitskräfte avanciert. Zunächst durften Arbeitsstellen ausschließlich im gemeinnützigen Sektor subventioniert
werden. Seit 1998 können auch Betriebe der Privatwirtschaft von den öffentlichen Zuschüssen Gebrauch machen.
Gerhard Klas