Sozialistische Zeitung |
Sprecher der indonesischen Solidaritätsbewegung sind der Ansicht, dass sich diejenigen am "Leid
der Verfolgten" mitschuldig machen, die sich "im sicheren Mitteleuropa gegen eine internationale Friedenstruppe in Osttimor"
wenden, meint etwa Alex Flor von Watch Indonesia. Da dem indonesischen Militär jeglicher Wille zu Zugeständnissen fehle,
bliebe kein anderer Weg.
Hingegen wirft die sozialrevolutionäre Gruppe Wildcat den Befürwortern der UN-Intervention vor, den Vereinten Nationen damit
das Recht zuzusprechen, "die Welt nach den Bedürfnissen von Arbeitszwang und Ausbeutung zu ordnen".
In einem etwas moderateren Stil stellten auch auch sechs Bundestagsabgeordnete der PDS unter Beweis, dass sie dem blinden
Menschenrechtseifer einiger Zeitgenossen skeptisch gegenüber stehen. Sie lehnten einen von ihren übrigen Parteikollegen
angenommenen interfraktionellen Antrag von SPD, CDU, FDP und Grünen zur Unterstützung der UN-Intervention in Osttimor ab.
Heiner Fink, Carsten Hübner, Ulla Jelpke, Sabine Jünger, Heidi Lippmann, Ilja Seifert und Winfried Wolf werfen den
Antragstellern angesichts ihrer Haltung zum Kosovo-Krieg "Heuchelei" vor. Sie befürchten außerdem, dass "eine
umfassende Militäraktion - wie in Somalia - zur Eskalation beitragen" könne. Eine UN-Aktion unter Führung
australischer Militärs bedeute zudem "den Bock zum Gärtner" zu machen. Denn das australische Militär hat Teile
der indonesischen Truppen ausgebildet und bewaffnet.
Der Antrag verschweige darüber hinaus die enge Zusammenarbeit der alten und neuen Bundesregierung mit den Machthabern in Jakarta
und die deutschen Konzern- und Rüstungsinteressen in Indonesien. Als wichtigen Schritt fordern sie die Einstellung aller
militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit der BRD mit der Regierung des Suharto-Nachfolgers Habibie - Ausnahme sollen
"eindeutige Hilfen für die Bevölkerung" sein.
Auch für sie ist der UN-Sicherheitsrat "ein Instrument in Händen derjenigen Mächte, die maßgeblich für
eine neokoloniale Weltherrschaft und für Kriege zur Verteidigung dieser Herrschaft verantwortlich sind".
Seit dem Unabhängigkeitsreferendum, dem die Osttimoresen am 30.August mit überwältigender Mehrheit zugestimmt hatten,
terrorisieren proindonesische Milizen mit Unterstützung der Militärs die dort ansässige Bevölkerung. Sie gehen
planvoll vor: die Bildungseliten werden ermordet, die einfache Bevölkerung vertrieben. Mittlerweile sind mehr als 300.000 auf der
Flucht, mehr als 10.000 sind getötet worden. Das alles war absehbar, auch für die UNO.
Vor allem die militärischen Moralisten des Kosovo-Kriegs haben jede Hilfestellung im Vorfeld verweigert. Als die Bedingungen
für die Volksabstimmung ausgehandelt wurden und Portugal, die ehemalige Kolonialmacht, gegenüber der UNO die Notwendigkeit
einer militärischen Absicherung des Referendums betonte, rührten die Westmächte keinen Finger. Bonn und Washington
übten nicht einmal Druck auf das indonesische Militär aus. Dieses beharrte auf seinem "Sicherheitsmonopol" in
Osttimor, und die Vereinten Nationen beauftragten es mit der Vorbereitung und Durchführung des Referendums.
Dabei ist es alles andere als ein Geheimnis, dass das indonesische Militär mit den jetzt brandschatzenden und mordenden Milizen
zusammengearbeitet, sie bewaffnet und trainiert hat. Doch damit nicht genug: die Bedingungen des UN-Referendums sehen sogar vor, dass das
Ergebnis unter Vorbehalt der Zustimmung des indonesischen Parlaments steht.
Die osttimoresische Befreiungsbewegung hat auf die UNO gesetzt und ihre Mitglieder zum Stillhalten gegenüber den Milizen verpflichtet.
Auch die Bevölkerung Osttimors fühlte sich unter dem Dach der UNO sicher. Das lag nicht zuletzt daran, dass sich auch die
geistige Elite des Landes, die Friedensnobelpreisträger Ramos Horta und Carlos Belo, auf die Vereinten Nationen verlassen
haben.
Erst als die Massaker voll im Gange waren und Belo knapp einem Mordanschlag entkam, hat sich der UN-Sicherheitsrat für eine
internationale Friedenstruppe nach Osttimor entschieden. Und auch zu diesem Zeitpunkt wollte er es sich mit den indonesischen Machthabern
nicht verderben, denn nahezu sämtliche Westmächte, allen voran die USA, Deutschland, Großbritannien und andere
europäische Nationen, unterhalten beste wirtschaftliche und militärische Beziehungen mit dem Inselstaat.
Eine besondere Rolle spielen die Truppen Australiens, die von der UNO mit der Führung der internationalen
"Friedenstruppe" beauftragt wurden. Anders als die übrigen großen Mitglieder der UNO hatte die australische
Regierung die Invasion Osttimors durch indonesische Truppen 1975 widerspruchslos hingenommen und sich geweigert, die UN-Resolution zu
unterzeichnen, die diese als "unrechtmäßige Besetzung" verurteilte.
Obwohl bereits damals fast ein Drittel der Bevölkerung Osttimors von den Truppen des ehemaligen indonesischen Machthabers Suharto
hingemetzelt wurde, hat Australien seine Haltung erst mit dem jüngsten Referendum geändert. Jetzt spielt sich die australische
Armee als Anwalt für Frieden und Unabhängigkeit in Osttimor auf.
Australien geht es um die Sicherung seiner wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen. Verträge mit der indonesischen Regierung
über Erdölvorkommen in den Gewässern zwischen Osttimor und Australien sind schon unter Dach und Fach.
Kofi Annan, UN-Generalsekretär, vertritt seit dem Kosovo-Krieg in aller Öffentlichkeit die Position, dass die souveränen
Rechte einzelner Staaten kein Hindernis sein dürfen, wenn der Einsatz internationaler Friedenstruppen geboten scheint. In diesem
Zusammenhang beweist die Rolle der UNO in Osttimor, dass sie alles andere als eine unabhänigige Organisation ist, die die Schwachen
gegen die Starken verteidigt. Sie entpuppt sich vielmehr als Instrument imperialer Interessen.
Wie keine andere supranationale Organisation ist die UNO vom Geruch der Menschenrechte umgeben. Es ist Zeit, sich die Nase zu putzen.
Auch auf die Gefahr hin, dass es dann mächtig stinkt.
Gerhard Klas