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Mit nur kurzen Unterbrechungen ist die CSU in Bayern seit 1945 an der Regierung, die meiste Zeit davon
allein. Sie hat es mit eienr Mischung aus Populismus und Pragmatismus verstanden, sich als Sachwalterin Bayerns auszugeben, so dass eine
Stimmabgabe für die CSU eben nichts weiter bedeuten soll als "bayrisch zu wählen". Plakate mit Alpenlandschaften
und Biergärten unterstreichen für gewöhnlich diesen Zusammenhang.
Mit über 180.000 Mitgliedern und einem von der Nymphenburgerstraße aus straff geführten Apparat ist die CSU in jeder
Kommune präsent. Sie kann schnell auf politische Entwicklungen reagieren und ihre Getreuen durch Heraushebung der bayerischen
Sonderrolle - zumal in Opposition gegen Bonn bzw. Berlin - hinter sich scharen.
Sie hat aber auch in und mit der Wirtschaft zu gegenseitigem Nutzen und Frommen ein inniges Geflecht aufgebaut, dessen Oberfläche bei
Skandalen sichtbar wird. Dieses System funktionierte besonders gut unter den Ministerpräsidenten Goppel und Strauß, wobei
letzterer die bundespolitischen Ambitionen vertrat und häufig auch als Neben-Außenpolitiker und Lobbyist agierte.
Unter Strauß-Nachfolger Max Streibl geriet die Partei wegen zahlreicher Finanz- und Bestechungsskandale ("Amigo-
Affären") und wegen Bayerns untergeordneter Rolle bei der Angliederung der DDR in schweres Wasser. Nach seiner
Ablösung 1993 wurde eine "Doppelspitze" mit dem neuen Ministerpräsidenten Stoiber in München und
Finanzminister Waigel in Bonn geschaffen: während der eine immer stärker in die Krise der Kohl-Regierung hineingezogen wurde,
konnte sich der andere als "Landesvater und Saubermann" profilieren.
Doch nun scheint sich der Wind gedreht zu haben, denn der Skandal um die Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS), aber
auch "Altlasten" aus früheren Zeiten drohen sich zu einer größeren Krise für das "System
Stoiber" auszuweiten.
Zunächst war da der Zwick-Skandal. Der langjährige Strauß-Vertraute und Bäderkönig Eduard Zwick hatte im
Laufe der Jahre mindestens 70 Millionen Mark an Steuern hinterzogen, was natürlilch nur aufgrund sehr langmütiger
Finanzbehörden möglich war, die wiederum auf die Politik Rücksicht nahmen. Ein Kompromiss forderte die Zahlung von nur
8,2 Mio., doch beruhte er auf falschen Angaben Zwicks über sein Vermögen. Als die Lage zu brenzlig wurde, überschrieb
Zwick Teile seines Imperiums auf seinen Sohn und setzte sich in die Schweiz ab. Beim Prozess in Hof kam schließlich zutage: die
Langmut der Behörden hatte so weit gereicht, dass die Schuld mittlerweile wohl verjährt ist.
Ein weiterer Vertrauter der Strauß-Familie und anderer CSU-Größen war der Kauferinger Industrielle und
Waffenhändler Karlheinz Schreiber, der inzwischen in Kanada in Untersuchungshaft sitzt. Er hatte ein weitverzweigtes Firmenimperium
aufgebaut, in das auch kanadische Firmen der Strauß-Familie einbezogen waren; zweitweilig "arbeitete" Schreiber als deren
Direktor. Seine Hauptaufgabe sah er in der Vermittlung von Rüstungsaufträgen. Zur Tarnung seiner Geschäfte unterhielt er
Briefkastenfirmen in Liechtenstein und Kanada. Der Verkauf von 36 Panzern an Saudi-Arabien z.B., für die die Scheichs knapp 400 Mio.
Mark überwiesen, soll von der Verteilung von 188 Mio. Mark Schmiergeldern begleitet gewesen sein - in diesem Zusammenhang werden
häufig die Namen Holger Pfahl (früher CSU-Staatssekretär), Erich Riedl (CSU-Abgeordneter), Winfried Haastert und
Jürgen Maßmann (Thyssen-Manager) und Leisler-Kiep (früher CDU-Schatzmeister) als Begünstigte genannt.
Auch beim Verkauf von Airbus-Flugzeugen sollen reichlich Provisionen geflossen sein, darunter an die Strauß-Familie (Strauß
saß im Aufsichtsrat der Airbus-Industrie). Inwieweit Mitglieder der Staatsregierung, etwa der Strauß-Zögling und heutige
Wirtschaftsminister Wiesheu, mit Schreiber verbandelt waren, bleibt noch zu klären.
In den dritten aktuellen Skandal ist Stoiber direkt verwickelt. Hier geht es um Verluste in Höhe von 367 Mio. Mark, die die LWS in den
90er Jahren aufgehäuft hat, und zwar vor allem durch die Produktion von leerstehenden Wohnungen und Büros in
"Neufünfland". Die LWS ist eine Tochter der LfA, der Kreditanstalt des Freistaats und Förderbank für die
gewerbliche Wirtschaft. Sie musste auf Geheiß Stoibers ihr Paket an der Deutschen Aerospace (DASA) für 400 Mio. Mark
verkaufen, um sich an einem Bestand von 20.000 Wohnungen zu beteiligen, deren Wert auf 3 Milliarden Mark geschätzt wurde.
Man hoffte, im Osten das große Geld zu machen, und kalkulierte großzügig mit Mieten um die 30 Mark pro Quadratmeter, die
natürlich nie und nimmer erzielt wurden.
Schon damals gab es in Regierungskreisen deutliche Warnungen, doch Stoiber setzte sich als "zupackender Politiker" über die
Bedenkenträger hinweg. Als die Schulden deutlich zunahmen und offensichtlich wurde, dass das Management der LWS unfähig
war, seine Aufgaben zu lösen, beauftragte man eine Head-Hunter-Agentur mit der Suche nach einem qualifizierten Manager. Doch die
drei vorgeschlagenen Kandidaten wurden von Stoiber abgelehnt.
Die Schulden wuchsen unterdessen munter weiter. Anfang 1997 war das Eigenkapital der Gesellschaft aufgebraucht, wovon Sauter den
Ministerpräsidenten unterrichtete. Als der bayerische Rechnungshof im Frühsommer dieses Jahres die Lage der LWS endlich
kritisch unter die Lupe nahm, konnte Stoiber den Skandal nicht länger unter der Decke halten und feuerte seinen langjährigen Freund
und Adlatus, den Aufsichtsratsvorsitzenden der LWS und Justizminister Alfred Sauter. Nach dem Rückzug von Waigel und dem
Rausschmiss von Sauter ist nun der schwäbische Flügel der CSU massiv geschwächt.
Aich in anderen Wirtschaftsprojekten, die von der Stoiber-CSU protegiert oder auf den Weg gebracht wurden mit dem Ziel, "bayerische
Fusionen" zustandezubringen und die Entscheidungszentren im Land zu behalten, kriselt es heftig: Die Fusion von BMW mit Rover hat der
bayerischen Autoschmiede Verluste in Milliardenhöhe eingebracht, ohne dass ein Ende absehbar wäre; die Bankenhochzeit von
Vereinsbank und Hypobank brachte faule Kredite der Hypobank in Höhe von mindstens 4 Mrd. Mark an den Tag, so dass das ganze
Projekt gefährdet ist; und die Privatisierung der Versicherungskammer samt Verschmelzung mit der Bayern-Versicherung hat bisher auch
nicht die erhofften "Synergie-Effekte" gebracht.
Auch wenn ein Ende der Ära Stoiber in Bayern - u.a. mangels erkennbarem Konkurrenten - nicht in Sicht ist - seine bundespolitischen
Hoffnungen kann er nach der Demontagen der vergangenen Monate fürs erste vergessen.
Paul B. Kleiser