Sozialistische Zeitung |
Du wolltest in Thüringen Arbeitsminister werden. Meinst du, du hättest deine Vorstellungen in einer
Koalitionsregierung mit der SPD realisieren können?
Ich wollte nicht Arbeitsminister werden; die PDS wollte, so stand es auch im Landeswahlprogramm, die Ministerien Wirtschaft, Arbeit und
Soziales sowie Wissenschaft neu ordnen und daraus einerseits ein Aufbauministerium, andererseits ein Zukunftsministerium machen. Die
Fördergelder aus der Wirtschaftsförderung sollten mit der Arbeitsmarktpolitik kombiniert werden, so dass im öffentlichen
Beschäftigungssektor eine Vielzahl von Initiativen hätten ergriffen werden können. Das war unser politisches Konzept. Zur
Personalfrage habe ich nur gesagt, ich traue mir zu, sowas zu machen...
Der zweite Teil der Frage bedrückt mich aber viel mehr. Seit Ausbruch des Kosovokriegs war ich mir persönlich nicht mehr im
Klaren darüber, ob mit dieser SPD tatsächlich eine gemeinsame Veränderung in grundsätzlichen politischen Fragen im
Sinne eines Politikwechsels möglich gewesen wäre. Nicht weil ich die SPD in Thüringen für besondere Kriegstreiber
halte, sondern weil ich der Meinung bin, dass sich mit dem Eintritt in den Kosovokrieg die Grundbedingungen der politischen
Auseinandersetzung im Innenpolitischen verändert haben und die ganze Kraft bei den Grünen und bei der SPD verbraucht worden
ist, um alle Abgeordneten auf Kriegskurs zu bringen. Das hat gelähmt, hat auch alle Kraft für eine inhaltliche Debatte aus diesen
Parteien herausgesogen. Seit diesem Zeitpunkt gab es keine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung um andere Arbeits-und
Wirtschaftsmodelle mehr. Einen öffentlichen Beschäftigungssektor zu bilden wäre mit den real existierenden Politikern der
SPD tatsächlich ein unglaublich schwieriger Weg gewesen.
Nach den Wahlen in Brandenburg hat die dortige Landesvorsitzende, Anita Tack, gesagt, immerhin hätte die Mehrheit links
gewählt und addierte dabei die Stimmen für SPD und PDS. Siehst du das auch so?
Es ist schwer zu sagen, was in der SPD als links gelten kann und ob alles, was neben der CDU ist, deshalb schon links ist. Rein rechnerisch
stimmt die Aussage, aber das ist eine mechanische Betrachtung. Tatsächlich ist der Kaschmir-Kanzler kein Vertreter des linken
Flügels, und mein Problem ist auch, dass der linke Teil, der in der Öffentlichkeit am stärksten von Lafontaine
repräsentiert wird, in der SPD völlig verloren gegangen ist. Bei den Grünen habe ich das Gefühl, dass sie mittlerweile
zur grün lackierten FPD mutiert sind, die mehr dem neoliberalen Kurs anhängen, als einem gesellschaftlichen Aufbruch, der andere
Wege sucht als die von der wirtschaftsliberalen Logik vorgegebenen. Deshalb würde ich es heute nicht mehr wagen, SPD und PDS
einfach zum "linken Spektrum" zusammenzuaddieren.
Ich bleibe aber dabei: Wenn eine Partei wie die PDS kandidiert, muss sie sagen, wie sie Politik umsetzen will; das geht im Parlamentarismus
nur über Koalitionen, weil die PDS allein keine Mehrheitspartei werden wird - und das ist auch gut so. Veränderungen wird es in
dieser Gesellschaft aber nur geben, wenn sie außerhalb des Parlaments mit viel Druck eingefordert werden. Das Parlament ist ja nur ein
Teil der Administration, bei dem Bewegungen kanalisiert werden sollen.
Jetzt wird die PDS ja nicht so schnell in die Verlegenheit kommen, neue Koalitionen einzugehen. Was bedeutet das denn für die
strategische Orientierung der PDS in Ostdeutschland? Wird sie den Platz der Sozialdemokratie im ostdeutschen Parteiengefüge
einnehmen wollen und was hätte das für Konsequenzen für sie?
Man muss sehen, dass in Ostdeutschland - und nur bei dieser Betrachtung bin ich bereit, einen solchen Satz zu prägen - eine traditionelle
Sozialdemokratie nicht gewachsen bzw. durch schlimme Brüche zerstört worden ist, die alte Sozialdemokratie also an bestimmten
Stellen abgebrochen wurde und in den letzten zehn Jahren auch nicht gewachsen ist. Es hat aus der Wendezeit Leute gegeben, die sich als
Sozialdemokraten geriert haben: die definieren sich als Opfer der SED-Zeit, sie würden sich niemals als links empfinden und auch nicht
als natürliche Partner der PDS bezeichnen. Die sind nur mit schlimmer Abgrenzung beschäftigt, teilweise schlimmer als CDU-
Vertreter, die ja selber Blockflöten-Nachfolger sind.
Ihre Sozialdemokratisierung als Integration in das bestehende Parteiengefüge hat die PDS in den vergangenen Jahren bereits vollzogen -
nicht weil sie zur sozialdemokratischen Ersatzpartei geworden ist, sondern weil sie die Strömungen aufgegriffen hat, die im Osten da
sind und denen man über das Milieu natürlich auch Heimat geboten hat. Wenn ich die Programmatik der PDS in Thüringen
mit der der südhessischen SPD in den 70er und 80er Jahren vergleiche, hatte letztere vermutlich ein linkeres Programm als derzeit die
PDS. Deswegen stimmen die althergebrachten Begriffe nicht mehr. Die PDS wird in den neuen Bundesländern als soziale Heimat
betrachtet, und je mehr man uns ausgrenzt als Partei, desto mehr werden wir.
Das reicht mir aber nicht. Meine Perspektive heißt, eine gesamtdeutsche Linkspartei zu werden, links von der SPD, d.h. aber auch, sich
ein gesamtdeutsches linkes Profil erst zu erarbeiten. Zur Zeit ist der Riss zwischen der PDS West und der PDS Ost klar spürbar: es gibt
völlig andere Betrachtungsweisen, völlig andere Sozialisationen. Erst wenn es gelingt, aus den Wurzeln beider Sozialisationen
gemeinsame politische Ansätze zu finden, erst dann wird es gelingen, eine gesamtdeutsche Partei zu werden.
Siehst du einen Weg dahin?
Ich will mal eine politische Bewegung nennen, bei der Ansätze dafür da waren: das war die Erfurter Erklärung und alles,
was darum entstanden ist. Dasselbe wäre vorstellbar, wenn wir endlich um eine gemeinsame gesamtdeutsche Verfassung streiten
würden, die tatsächlich antimilitaristisch ist, soziale Rechte festschreibt, direkte Demokratie ermöglicht, wo auch andere
Lebensgefühle und Gesellschaftsentwürfe Platz haben. Aber auch andere Auseinandersetzungen sind dazu geeignet: die um das
Asylrecht, die Unverletztlichkeit der Privatsphäre, die Stärkung der Teile des Grundgesetzes, wo Freiheitsrechte abgesichert
werden. Spätestens wenn die nächste Volkszählung kommt, wird sich zeigen, ob es eine Auseinandersetzung für das
informelle Selbstbestimmungsrecht u.a. noch einmal gibt und ob sie tragfähig genug ist, um daraus eine gesamtdeutsche politische
Bewegung zu machen.
Dafür werbe ich in der PDS. Deswegen bin ich mit dem Kriegsbeginn im Kosovo in die PDS eingetreten - das war das erste Mal in
meinem Leben, dass ich mich entscheiden wollte. Das sollte auch ein Signal an die Kräfte sein, die in der PDS für eine
gesamtdeutsche Partei eintreten, denen will ich den Rücken stärken. Damit bin ich im Moment allerdings noch - der Wahrnehmung
nach - eine Ausnahme, wirklich der Vorzeigewestdeutsche. Es nehmen mir auch viele Westdeutsche hier in Thüringen krumm, dass ich in
die PDS eingetreten bin, das kriege ich in Gesicht gesagt.