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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.20 vom 30.09.1999, Seite 7

US New World Order

Als US-Präsident George Bush 1990, zum Auftakt des alliierten Krieges gegen den Irak proklamierte: ‘We create a new world order‘, da schien dies vor allem an den Süden gerichtet. Kein Potentat und keine Bewegung in der Dritten Welt dürfe sich erlauben, aus der US-Weltordnung auszubrechen; der partielle Schutz, den es in früheren Zeiten infolge der Blockkonfrontation bei solcher Unbotmäßigkeit gelegentlich gab, existiert nach dem Zusammenbruch der UdSSR nicht mehr. Vor diesem Hintergrund war die Ausrufung einer "neuen Weltordnung" durch George Bush zu diesem Zeitpunkt konsequent. Sie stellte auch keine wirkliche Neuheit dar, wenn sie als begrenzt auf die Dritte Welt verstanden wurde, war doch die US-Politik in Vietnam, gegen Kuba, Chile, Nikaragua oder Grenada noch im Bewusstsein von Hunderten Millionen Menschen.
Doch die neue US-Politik sollte nicht allein für den Süden gelten, auch wenn die Herausbildung dieser US-Sicherheitspolitik seither nicht geradlinig verlief.
Seit Anfang der 90er Jahre und verstärkt nach dem Golfkrieg 1990/91 gibt es in den USA von regierungsoffizieller Seite und von Vertretern des Pentagons, mithin von Protagonisten des militärisch-industriellen Komplexes, eine breit angelegte Debatte über die "Sicherheitspolitik" der USA. Dabei schien die Richtung zunächst nicht eindeutig, zumal das militärische Desaster der USA in Somalia den Drang der einzigen verbliebenen militärischen Supermacht zum Weltpolizistentum kurzfristig abkühlte. Noch auf dem NATO-Gipfel im Januar 1994 erteilte US-Präsident Clinton den Plänen zu einer NATO-Osterweiterung eine Absage, womit sich für manche Beobachter in den USA eine eher isolationistische Tendenz durchzusetzen schien. Ernst-Otto Czempiel schrieb, die USA hätten damals den Westeuropäern "einen sicherheitspolitischen Freibrief" ausgestellt; die "US- Außenpolitik schien praktisch zum Erliegen zu kommen". Dies ging einher mit einem erheblichen Rückgang der Verteidigungsausgaben, auch wenn die Reduktionen bei den militärischen Beschaffungen weniger radikal ausfielen.

Strategische Wende
Die Wende kam 1995. Sie wurde mit den von den USA angeführten NATO-Luftangriffen im Bosnien-Krieg dokumentiert und dem darauf folgenden Dayton-Abkommen ratifiziert. Die USA meldeten mit Dayton ihren Führungsanspruch auch für Europa unüberhörbar an. Jetzt folgte auch die US-Forderung nach der NATO-Osterweiterung, wobei sich die Clinton-Administration und die US-Militärs dabei mit ihrer Forderung nach einer Begrenzung der Erweiterung um drei neue Mitglieder gegenüber EU- Positionen durchsetzten. In den Jahren 1995-1997 gab es dann eine Reihe programmatischer sicherheitspolitischer Reden von US- Präsident Clinton, seiner Verteidigungsminister William J. Perry und danach William S. Cohen und führender Militärs wie dem damaligen Generalstabschef General Powell und seinem Nachfolger General John M. Shalikashvili. In dieser Debatte sind fünf Aspekte von herausragender Bedeutung:
1. Die in den USA Verantwortlichen begreifen sich als einzige globale Weltmacht mit überragender militärischer Macht. Darin bestünde, so Generalstabschef Shalikashvili, "eine nicht vorhergesehene Möglichkeit, die zukünftige Sicherheitslandschaft zu formen", entsprechend militärische Bündnisse "an die neuen Realitäten anzupassen". Die US-Außenministerin Madeleine Albright hat dies nach dem Kosovo-Krieg prägnant auf die zwei Sätze gebracht: "Wir sind gegenwärtig in der Weltpolitik unersetzlich. Ohne uns läuft nichts."
2. Es wird davon ausgegangen, dass aufgrund dieser "natürlichen Führerschaft" eine weltweite militärische Präsenz der USA nötig ist, dass dabei gelegentliche militärische Schläge erforderlich sind und dass darüber hinaus die USA die Fähigkeit erlangen müssen, zwei größere Kriegen gleichzeitig führen zu können. In dem zitierten Grundsatzdokument des US-Generalstabschefs heißt es unter dem Stichwort "Überseeische Präsenz": "Erforderlich ist die sichtbare Präsenz der US-Streitkräfte und ihrer Infrastruktur in unseren Schlüsselregionen und dort an vorderster Front." Weiter: "Unsere Kräfte müssen in der Lage sein, gleichzeitig vielfältige militärische Aktionen durchzuführen ... Als Weltmacht mit weltweiten Interessen ist es absolut erforderlich, dass die USA in der Lage sind ... gleichzeitig großangelegte, grenzüberschreitende Aggressoren in zwei weit auseinander liegenden Regionen auf der Welt zu besiegen."
3. Gewaltanwendung in der Politik und außerhalb des Völkerrechts, das heißt außerhalb des UN-Rahmens, wird von der US-Administration und dem Pentagon als absolut legitim angesehen. Das ist zwar für die US-Praxis nichts Neues. Neu ist jedoch, dass dies offen ausgesprochen wird. Clinton postulierte das 1995 in allgemeiner Weise: "Wenn Interessen unserer nationalen Sicherheit bedroht sind, werden wir, wie es Amerika immer getan hat, uns diplomatischer Mittel bedienen, wenn wir können, jedoch auf militärische Mittel zurückgreifen, wenn wir müssen."
4. In diesen Debatten und programmatischen sicherheitspolitischen Texten taucht die UNO gar nicht auf; die NATO wird entweder nicht oder nur indirekt erwähnt. Immer wieder gibt es Formulierungen wie "mit unseren Verbündeten oder ohne sie", "gegebenenfalls allein auf unsere militärischen Kräfte gestützt".
Bereits vor dem Balkankrieg 1999 wurde diese Linie praktisch umgesetzt, so als die USA 1996 ohne Konsultation des UN-Sicherheitsrats 44 Cruise Missiles auf Ziele im Irak abfeuerten oder als die USA im August 1998 Ziele in Afghanistan und im Sudan ebenfalls ohne Konsultation von UNO und NATO angriffen.
5. Abrüstung ist unter diesen Bedingungen kein Thema mehr. Der Begriff spielt in dieser Debatte keine Rolle. Im Gegenteil, einiges spricht dafür, dass wir bereits vor dem Kosovo-Krieg vor einer neuen Phase der US-Aufrüstung standen und dass der neue Balkankrieg dadurch zumindest "munitioniert" wurde.
Anfang 1999 wurde der neue US-Verteidigungshaushalt für 1999 vorgelegt. Er sieht Ausgaben in Höhe von 271 Milliarden US- Dollar für Verteidigung vor. 1998 waren es 269 Mrd. US-Dollar. Für militärische Beschaffungen sollen in 1999 49 Mrd. US-Dollar ausgegeben werden. Dieser letztgenannte Titel wird sich nach der vereinbarten mittelfristigen Planung bis zum Jahr 2001 auf 61,3 Mrd. US-Dollar erhöhen. Das wäre ein Wachstum desjenigen Ausgabenpostens, der für den militärisch-industriellen Sektors entscheidend ist, um 26% in zwei Jahren. Während des Balkankriegs und im direkten Nachgang zu ihm wurde der US- Militäretat zusätzlich massiv - um 13,1 Mrd. US-Dollar - erhöht. Damit wirkt wieder einmal der Krieg als Katalysator einer Aufrüstungspolitik, die jedoch im Grundsatz zuvor bereits politisch beschlossen worden war.

Testgebiet Balkan
Vor diesem Hintergrund stellt der neue Balkankrieg 1999 eine Blaupause des Golfkriegs 1991 dar. Die Botschaft von der new world order unter US-Hegemonie von Bagdad 1991 wurde 1999 für Belgrad konkretisiert; der Anspruch der USA nach einer Weltordnung unter US- Hegemonie wurde vom Nahen Osten mitten nach Europa transferiert. Die Versuche, eine Begründung zu finden, weshalb es "gerade Jugoslawien" war, das zur Exekution dieser US-Militärpolitik ausersehen war, wirken hier eher fruchtlos. Wahrscheinlich hätte sich auch ein anderer Konflikt als geeignet erweisen können. In jedem Fall ist es kurzschlüssig, direkte wirtschaftliche Interessen zu vermuten oder, wie das in der DKP-Zeitung Unsere Zeit zu lesen war, eine "Blutspur der NATO durch Serbien", die "auch mit Öl vermischt ist", zu erkennen. Das US-Interesse an diesem Krieg hängt in erster Linie mit der skizzierten strategischen Orientierung der USA zusammen. Einzelne wirtschaftliche Aspekte und die Konkurrenz USA/Westeuropa bekommen dann in diesem Rahmen ihre Bedeutung.
Noam Chomsky ist zuzustimmen, wenn er etwas salopp, das Grundprinzip des "US-Engagements" auf dem Balkan wie folgt beschrieb: "Wir müssen auf das Bild des Mafia-Bosses zurückkommen: Wenn jemand kein Schutzgeld bezahlt, dann muss der Mafia-Boss seine ‚Glaubwürdigkeit‘ wieder herstellen, damit nicht noch andere auf die dumme Idee kommen, den Gehorsam zu verweigern. Was Clinton & Co. sagen, ist: Es ist notwendig, dass alle genügend Angst vor dem Weltpolizisten haben."
Die Auswahl des Raums, in dem der neue US-Krieg zur Aufführung gelangen würde, scheint im Herbst 1998 getroffen worden zu sein. Anfang 1999 wurde in den USA bereits in der Öffentlichkeit explizit der Balkan zur Region erklärt, in der die USA "vitale" Interessen hätten, die gegebenenfalls militärisch durchgesetzt werden müssten, wobei der Begriff "vitale Interessen" bereits eindeutig das Vokabular der erwähnten sicherheitspolitischen Debatte aufgriff, in der militärische Gewalt bei Vorliegen solcher "vitaler Interessen" als erforderlich ausgegeben wurde.
James Hooper, leitender Direktor des Balkan Action Councils, ein US-amerikanischer think tank, äußerte vier Wochen vor Kriegsbeginn vor einem Committee of Conscience im Holocaust-Museum (!) in Washington: "Der erste Punkt einer Liste von Sachen, die wir als nächstes erledigen müssen, ist folgendes: Akzeptieren Sie, dass der Balkan als Region von strategischem oder vitalem Interesse für die USA ist, das neue Berlin (!), wenn Sie so wollen, der Prüfstand für die Entschlossenheit der NATO und die Führungsrolle der USA. Die Regierung sollte dem amerikanischen Volk offen und ehrlich erklären, dass wir voraussichtlich auf unbestimmte Zeit im Balkan militärisch präsent sind."
Zu dem Zeitpunkt näherte sich ein möglicher Balkankrieg dem zitierten wichtigen Kriterium, der Fähigkeit zum gleichzeitigen Führen zweier Kriege an weit auseinander liegenden Regionen. Ende 1998 intensivierten die USA ihre Militärschläge gegen den Irak und auch während des Balkankriegs wurden - von der Weltöffentlichkeit kaum mehr wahrgenommen - immer wieder Militärschläge auf irakische Stellungen durchgeführt. Teilweise wurden US-Kriegswaffen wie Flugzeugträger und Kampfjets im "Pendelverkehr", zunächst am Persischen Golf gegen den Irak und wenige Wochen danach im Mittelmeer und gegen die Bundesrepublik Jugoslawien eingesetzt. Das "Timing" dieser zwei gleichzeitig geführten Kriege war medial optimal abgestimmt - wie für das von Clinton, Perry, Cohen und Shalikashvili so vielfach beschriebene War Theater: Inmitten des neuen Balkankriegs feierte die NATO in Washington ihr 50-jähriges Jubiläum. Auf diesem Treffen wurde als neue NATO-Doktrin verkündet, dass der Militärpakt sich in Zukunft selbst als militärischen Weltrichter versteht. Damit wurde im Grunde passend zum Krieg die dafür gültige Doktrin und Rechtfertigung nachgeliefert und das kodifiziert, was zuvor in der skizzierten US-internen sicherheitspolitischen Debatte vorgegeben wurde. Die New York Times schlagzeilte zum Jubiläum: ‘NATO finds Kosovo War a Fly in its Champagne‘ - der Krieg als Fliege im Champagnerglas: Hoch die Gläser - legal, illegal, kollateral.

Ökonomische Vorteile
Auch wenn der Balkankrieg im beschriebenen größeren Rahmen strategischer Debatten in Kreisen des US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplexes zu sehen ist, so beziehen die USA aus diesem Krieg doch auch Vorteile ökonomischer und strategischer Natur. Dies lässt sich auf drei Gebieten konkretisieren:
Als erstes und direktes Resultat des Balkankriegs kommt es zu neuen großen Rüstungsaufträgen, die sich überwiegend in den Auftragsbüchern der US-amerikanischen Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes - und darüber hinaus auch in denen europäischer Rüstungsunternehmen - niederschlagen werden. Der US-Konzern Raytheon - Hersteller der Tomahawk- Marschflugkörper - z.B. bezifferte den Sonderumsatz, den der Krieg dem Unternehmen brachte, auf 400 Millionen US-Dollar. Indirekte Folge des Krieges wird die Beschleunigung der NATO-Osterweiterung sein. Die neuen NATO-Mitgliedstaaten werden nun ihre "veralteten" und den "falschen" - sowjetischen - "Standards" Rechnung tragenden Waffenarsenale schneller "modernisieren", das heißt, diese auf "NATO-Standards", was erneut überwiegend US-Standards sind, umstellen.
Noch während des Krieges haben sich neue Anwärterstaaten für eine NATO-Mitgliedschaft mit Beitrittswünschen gemeldet. Auch hier findet sich ein weites Feld für neue Rüstungsprofite, die z.B. von den Menschen in den bitterarmen Ländern Albanien, Makedonien und möglicherweise auch bald Montenegro ausgepresst werden. Insgesamt dürfte dieser Prozess der "NATO-Militarisierung" Ost- und Südosteuropas den Vorsprung der US-Rüstungstechnik verstärken und beschleunigen.
Als zweites brachte der Balkankrieg der Europäischen Union, also dem mit den USA bzw. mit der NAFTA konkurrierenden Wirtschaftsblock, erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die sich zugleich als indirekte Vorteile für die NAFTA auswirken. Im südöstlichen Hinterhof der EU werden 30.000 bis 40.000 "flexible" Einheiten der EU-Armeen gebunden; im Fall Großbritanniens und der BRD sind damit bereits fast alle Reserven solcher Einsatzkräfte erschöpft. Dies wird die Tendenz zur Umwandlung der bundesdeutschen Armee beschleunigen. Es entstehen erhebliche Kosten für Truppenstationierung und den teilweisen Wiederaufbau. Gleichzeitig wird die Kaufkraft der betroffenen Region und der angrenzenden Länder geschwächt bzw. diese Kaufkraft wird von zivilen Gütern auf militärische "umgelenkt" - u.a. aufgrund der beschriebenen Beschleunigung der Folgen der NATO-Osterweiterung und der allgemeinen regionalen Aufrüstung. Auch dies schadet der EU-Wirtschaft, deren Stärke eher auf dem Gebiet der "zivilen-wirtschaftlichen Durchdringung" Ost- und Südosteuropas, einschließlich der Türkei, liegt.
Schließlich und drittens ist es eine direkte Folge des Balkankriegs, dass die Finanzstrategen der EU das Ziel, das sie mit dem nur ein Vierteljahr vor Kriegsbeginn eingeführten "Euro" verfolgten, zumindest vorerst nicht erreichten: Die EU- Einheitswährung sollte dem US-Dollar die Rolle als Weltgeld streitig machen und internationale Anleger zum Wechsel von Dollar zu Euro veranlassen. Mit dem Krieg sank jedoch der Wert des Euro gemessen in Dollar um mehr als 10%. Im Vergleich zur Euro-Notierung vom Oktober 1998 machte der Verfall bis Ende Juni 1999 sogar 20% aus. Das wiederum stärkte die Währung des Juniorpartners der USA in Europa, das britische Pfund. Es förderte in Großbritannien die Position, auch zukünftig dem "Euro-Land" nicht beizutreten.
Da die britische Wirtschaft ihre Profite in erster Linie aus Finanzgeschäften bezieht, wird der Nachteil höherer britischer Exportpreise bei weitem aufgewogen durch die Attraktivität, die der Finanzplatz London mit einem starken Pfund gewonnen hat. Während der Chefökonom der deutschen Bank, Professor Walter, noch Ende 1998 getönt hatte, der Euro werde bis Jahresende 1999 im Verhältnis zum US-Dollar bei 1,30 stehen, schien Ende Juni 1999 ein Verhältnis zwischen Dollar und Euro von 1:1 denkbar. Die Vorhersage des US-amerikanischen Notenbankchefs Alan Greenspan, "der Euro wird kommen, doch er wird keinen Bestand haben", kann nach diesem Krieg zumindest nicht komplett ausgeschlossen werden.
Tatsächlich fand sich in der Los Angeles Times und in der International Herald Tribune nach dem Kosovo-Krieg ein Artikel von William Pfaff, der einen solchen strategischen Sieg des Dollars mit einer Vernichtung des Euro explizit für möglich erklärt. Dort hieß es: "Kann eine einzige Währung und eine einzige Fiskalpolitik wirklich den Interessen von elf - und voraussichtlich von fünfzehn oder mehr - Ländern gerecht werden? ... Es ist heute undenkbar, dass die Europäer zulassen würden, dass der Euro zum Fehlschlag wird. Doch zu sagen, dass etwas undenkbar ist, meint natürlich nicht, dass es nicht doch passieren kann."

Erfolg und Schwächung
So gesehen war der Balkankrieg 1999 vor allem ein Erfolg der US-Politik. Mit ihm wurde in erster Linie die vorab bereits entwickelte "neue" US-Sicherheitspolitik einem - erfolgreichen - Test in der Praxis unterworfen. Die Frage nach den längerfristigen Wirkungen der US new world order ist gesondert zu diskutieren. Diese "Pax americana", die in Zukunft regelmäßig durch aufwendige Kriege aufrechterhalten werden soll, legt der US-Ökonomie auch enorme Kosten auf. An anderer Stelle wurde bereits betont, dass hohe Rüstungsausgaben letzten Endes einen Abzug vom gesellschaftlichen Reichtum darstellen.
Dies ist für die USA auch insofern relevant, als diese hohen Rüstungsausgaben nicht von einer unangefochtenen US- Weltmarktposition in den entscheidenden industriellen Branchen begleitet wird. Das Gegenteil trifft zu: In den wichtigsten internationalen Industriezweigen sind - trotz oder wegen der hohen US-Rüstungsausgaben - meist die japanischen und die EU-Konkurrenten führend. Das wurde im ablaufenden Jahrzehnt verdeckt, weil dieses überwiegend von einem ausgesprochen langen industriellen Zyklus mit in den USA hohen Wachstumsraten bestimmt war. In Krisenzeiten allerdings wird diese Achillesferse der US-Wirtschaft wieder stärker zum Vorschein treten.
Der US-amerikanische Historiker und Politikwissenschaftler Paul Kennedy unterstrich eine solche pessimistische Sicht hinsichtlich einer länger andauernden new world order unter US-Hegemonie und er tat dies vor dem Hintergrund des Golfkriegs 1991: "Die Aufrechterhaltung der weltweiten Position der USA hat einen hohen Preis. 300 Mrd. Dollar pro Jahr erkauften militärische Sicherheit für die USA, aber sie lenkten auch Ressourcen - Kapital, das Personal der Streitkräfte, Materialien, Facharbeiter, Ingenieure und Wissenschaftler - von der nichtmilitärischen Produktion ab. 1988 zum Beispiel wurden über 65% der Forschungs- und Entwicklungsgelder des Bundes der Verteidigung zugeteilt, verglichen mit nur 0,5% für Umweltschutz undd 0,2% für industrielle Entwicklung."
Paul Kennedy weist in diesem Zusammenhang noch auf andere Belastungen der US-Ökonomie hin, die langfristiger Natur sind. So betragen allein die jährlichen Zinszahlungen der USA für Staatsschulden mehr als 300 Mrd. US-Dollar; sie beanspruchen 15% aller Regierungsausgaben und liegen auf gleicher Höhe wie die Rüstungsausgaben selbst. Diese Zinszahlungen werden für staatliche Schulden aufgewendet, die zu einem erheblichen Teil den langfristig hohen Rüstungsausgaben und den Kriegskosten - z.B. den Kosten des Vietnamkriegs - geschuldet sind.
Winfried Wolf


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