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Mit dem Papier "Weniger ist mehr! Überlegungen zu einer sicherheitspolitisch und technologisch
orientierten Modernisierung der Bundeswehr" hat sich die verteidigungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen,
Angelika Beer, in die Debatte um die Zukunft der Bundeswehr eingeschaltet.
Dabei tritt sie als radikale Modernisiererin auf, die die Truppe in eine "kleine, moderne, ‚intelligente Bundeswehr"
umrüsten möchte. Zwar konnte sie sich in der Koalition damit bisher nicht durchsetzen. Aber ihre Überlegungen stellen einen
Meilenstein im Verhältnis der Grünen zur Bundeswehr dar: Beer sorgt sich um die "Zukunftsfähigkeit" der
Bundeswehr. Im Bundestag machte Beer Union und FDP für die "permanente Unterfinanzierung" der Bundeswehr
verantwortlich.
Mit ihrem Konzept wendet sich Beer gegen die Vorstellung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), nach der die Fähigkeit
der Bundeswehr zur Landesverteidigung beibehalten und gleichzeitig die Kriseninterventionsfähigkeit der Truppe ausgebaut werden
könnte. Nach Ansicht von Beer ist "eine deutliche Steigerung des Verteidigungshaushaltes mit dem Ziel technischer Modernisierung
bei relativ weitgehender Erhaltung von Struktur und Umfang der Bundeswehr aus haushaltspolitischen Gründen
unmöglich".
Die sich selbst als Antimilitaristin bezeichnende Grüne legt in dem Papier "Weniger ist mehr!" ein eindrucksvolles
Bekenntnis zu Bundeswehr und NATO ab. Dabei dürfe "militärisches Krisenmanagement" allerdings nur angewendet
werden, "wenn die zivilen Mittel nicht erfolgreich oder erschöpfend angewendet wurden und wenn bestimmte, definierte politische
und völkerrechtliche Kriterien erfüllt sind".
"Um ihrer Zukunftsfähigkeit willen" will Beer der Bundeswehr eine Rosskur verordnen. Elf Brigaden des Heeres, drei
Geschwader der Luftwaffe und ein Marinefliegergeschwader sollen abgebaut werden. Herausspringen sollen dabei 11 bis 15 Milliarden Mark.
Eine solche Veränderung sei auch aus sicherheitspolitischen Gründen ratsam: "Die Mehrzahl der Risiken für die
Sicherheit der Menschen in Deutschland und Europa gehen jedoch nicht mehr von militärisch beeinflussbaren Faktoren aus.
Ökonomische und ökologische Krisen, Verknappung der Ressourcen sowie der Zerfall staatlicher Strukturen und ethnopolitisch
überformte Konflikte gefährden die Sicherheit der Menschen." Daher sei die "Aufrechterhaltung eines mechanisierten
Massenheeres" auch politisch und militärisch unzweckmäßig.
Angelika Beer hat ihr Papier unter das Motto eines Satzes aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag gestellt: "Deutsche
Außenpolitik ist Friedenspolitik". Aus grüner Sicht fordert sie nun für die Bundesrepublik: "Als
ökonomisch stärkster Staat Europas" könne Deutschland einen seiner Bedeutung und seinem Gewicht entsprechenden
Beitrag zu Bündnisverteidigung und Krisenmanagement leisten. Eine Politik der Selbsteinbindung und der Beiträge zum
nichtmilitärischen wie militärischen Krisenmanagement würden der Bundesrepublik "Mitsprache und Einfluss auf die
zu treffenden Entscheidungen" sichern. Dies erfordere eine Armee, "die angemessene, hervorragend ausgebildete und adäquat
ausgestattete Kräfte von geringer Mobilisierungsabhängigkeit in Europa, sowie seinen Rand- und Nachbargebieten zum Einsatz
bringen kann".
Auch müsste im Rahmen einer Modernisierung der Bundeswehr die "Entwicklung und Ausweitung der politischen,
nichtmilitärischen und zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten präventiver Außen- und
Sicherheitspolitik" vollzogen werden. Dafür hat Angelika Beer eine ganze Ansammlung von Begriffen parat:
"präventive Sicherheitspolitik", "langfristig orientierte Politik", "internationale Strukturpolitik",
"Gewaltprävention", "konstruktive Gewaltbearbeitung". Zwar hätten die letzten Monate gezeigt, "dass
die Instrumente für eine effektive Konfliktbearbeitung und Gewaltverhinderung nicht ausreichend" seien. Doch letztlich hält
Beer es für nötig, "alle Instrumente, auch die militärischen, die zur Konfliktbearbeitung zur Verfügung stehen, zu
reformieren". Auf das Militär mag die Grüne nicht mehr verzichten.
Dirk Eckert