Sozialistische Zeitung |
Die massive und gewalttätige Kampagne gegen die osttimoresische Bevölkerung von Seiten der
indonesischen Militärs, Polizei und Pro-Jakarta-Milizen nach dem überwältigenden Sieg der Befürworter von
Osttimors Unabhängigkeit beim Referendum vom 30.August hat in Indonesien eine neue politische Krise ausgelöst.
Die Niederlage der Unabhängigkeitsgegner beim Referendum und ihre anschließende Politik der Massaker und der verbrannten
Erde fällt mit einem wachsenden Druck auf das indonesische Militär zusammen, der darauf abzielt, die Rolle der Armee im
politischen Leben des Landes zu beschränken.
Dieser Druck äußert sich in zweifacher Weise: im Kampf für die Entmilitarisierung der Provinz Aceh (Nordsumatra) und im
Kampf gegen ein neues Gesetz zur Staatssicherheit, das der Verteidigungsminister und kommandierende General der Streitkräfte,
Wiranto, vorgeschlagen hat.
Nahezu alle politischen Kräfte haben gefordert, das Staatssicherheitsgesetz so zu ändern, dass kein Ausnahmezustand erklärt
werden kann, bei dem die Armee ohne Ratifizierung durch das Parlament besondere politische Vollmachten erhält.*
Mit der UNO-Intervention in Osttimor wurde die politische Elite Indonesiens zunehmend polarisiert. Diese Polarisierung hat nicht nur mit der
schrecklichen Lage in Osttimor zu tun, sondern auch mit der Angst vor einem Militärputsch oder der wachsenden Macht des
Militärs. Die Unterstützung für oder die Opposition gegen das von Wiranto vorgeschlagene Ermächtigungsgesetz ist mit
der Frage des Blauhelmeinsatzes in Osttimor verknüpft.
Zu den Gegnern einer UNO-Intervention gehörte die Kerngruppe der Suharto-Anhänger in der Regierung Habibie. Neben Wiranto
zählen vor allem Außenminister Ali Alatas und der Innenminister, General Syarwan Hamid, dazu. Es besteht kein Zweifel, dass die
Demonstrationen der letzten Wochen gegen die "ausländische Einmischung" von dieser Gruppe gesteuert wurden, zusammen
mit den Aktivitäten ultrarechter Kräfte.
Diese mit dem Suharto-Clan verbundenen Kräfte haben immer noch einen starken Einfluss auf die Armee und die Geheimdienste, und sie
sind fähig, ihre wirtschaftlichen und politischen Privilegien, die in der aktuellen Krise auf dem Spiel stehen, gewaltsam zu verteidigen.
Sie versuchen anscheinend auf einer nationalistischen Welle wieder in das Zentrum der Macht zu gelangen.
Der Versuch, nationalistische Gefühle gegen die "Einseitige Haltung der UNO", die "australische Arroganz"
u.ä. zu entfachen, ist bisher nicht durchschlagend gewesen. Während der Eindruck einer antiwestlichen Stimmung geweckt wird,
gab es bisher keine massiven fremdenfeindlichen Mobilisierungen.
Alle Teile der politischen Elite - ob an der Macht oder nicht - haben Probleme mit dieser Strategie Unterstützung für den
militärischen Terror in Osttimor zu gewinnen. Alle Teile dieser Elite sind mit den imperialistischen Machtzentren in Washington, Tokyo
und London verbunden. Die großen politischen Parteien haben bereits ihre Unterstützung für das Sparpaket des
Internationalen Währungsfonds versprochen.
Die Tatsache, dass die Kreise um Wiranto und Alatas beim Entfachen chauvinistischer Stimmungen nur teilweise erfolgreich waren, zeigt sich
auch in der zunehmenden Unterstützung einer Reihe politischer Kräfte und Persönlichkeiten für eine die indonesische
Armee in Osttimor ablösende UN-Friedenstruppe. So sprach sich Amien Rais, der Führer der Nationalen Mandatspartei (PAN),
am 10.September gegen die Verhängung des Kriegsrechts in Osttimor aus, "da diese Region seit dem Referendum kein Teil
Indonesiens mehr ist. Wenn das Ziel darin besteht, die Sicherheit der Region zu gewährleisten, so kann dies am besten durch eine
internationale oder UNO-Streitmacht geschehen." Rais rief die indonesische Gesellschaft auf zu akzeptieren, dass die Bevölkerung
Osttimors die Unabhängigkeit will, auch wenn dies eine bittere Enttäuschung sein mag.
Am selben Tag erklärte der Vorsitzende der Partei des Nationalen Erwachens (PKB), Matori Abdul Djalil, dass die Regierung in der
Osttimor-Frage offener sein solle. Der Wunsch der UNO, Blauhelmsoldaten nach Osttimor zu schicken, sei verständlich und dürfe
angesichts der ungewissen Lage in Osttimor nicht abgelehnt werden.
Abdurrahman Wahid, Chef der islamischen Massenorganisation Nadhlatul Ulama, drückte ebenfalls seine Unterstützung für
UNO-Friedenstruppen aus, doch dürfe Australien sich daran nicht beteiligen, da es die Unabhängigkeit Osttimors zu sehr
unterstützt hätte (während in Wirklichkeit die Regierungen in Canberra bisher die stärksten Pfeiler Suhartos und seine
Osttimor-Politik waren).
Die Unterstützung der UNO-Intervention durch PAN und PKB ist eine bedeutende Entwicklung, weil diese beiden Parteien eine
Schlüsselrolle bei der Wahl des neuen Präsidenten spielen und eine neue Regierung bilden könnten.
Eine schwankende Haltung nehmen Megawati Sukarnoputri und ihre Demokratische Partei Indonesiens (PDI-P) - die Siegerin der
Parlamentswahlen vom Mai diesen Jahres - ein. Wenngleich Megawati erklärt hat, dass sie das Ergebnis des Referendums vom
30.August respektieren würde, hat sie sich zu einer UNO-Intervention nicht klar geäußert. Anscheinend gibt es in dieser
Frage Differenzen in der Partei. Megawati hatte Habibie heftig angegriffen, weil dieser dem Referendum zugestimmt hatte, da diese
verfrühte Entscheidung erst zum Chaos in Osttimor geführt habe.
Auf diese Weise will Megawati die Verantwortung von Wiranto und der Armee ablenken. Sie hat ein deutliches Interesse, Habibie so weit wie
möglich politisch zu schaden, da er ihr größter Rivale für die Präsidentschaft im November ist und sie sich die
Unterstützung der Armee sichern will.
Megawati vertritt die Auffassung, dass Osttimor eine legitime Provinz Indonesiens ist, so dass für das Referendum ein spezielles Gesetz
erforderlich gewesen wäre. Damit leugnet sie die Illegalität der blutigen Invasion von 1975. Ihre Haltung hat die Position Wirantos
und der Armee gestärkt und es dieser dadurch erleichtert, die Milizen aufzustellen und zu decken, die in Osttimor die Massaker
verübt haben.
Während bürgerliche Oppositionsparteien wie die PKB und die PAN über öffentliche Stellungnahmen nicht
hinausgegangen sind, gab es Demonstrationen und Kundgebungen von Menschenrechtsgruppen und radikalen Kräften wie der
Demokratischen Volkspartei (PRD), die das Staatssicherheitsgesetz ablehnen und einen Rückzug der indonesischen Truppen aus Osttimor
forderten.
Am 9.September kam es bspw. in Jakarta zu Zusammenstößen zwischen 2000 Demonstranten und der Polizei. Am selben Abend
wurde auf die Zentrale der PRD ein Brandanschlag verübt. Auch indonesische Gewerkschafter haben ihre Solidarität mit Osttimor
zum Ausdruck gebracht: insbesondere die radikale Gewerkschaft FNPBI, deren Vorsitzende Dita Sari kürzlich aus dem Gefängnis
entlassen wurde, hat in einer Erklärung vom 11.September den Rückzug der indonesischen Streitkräfte und die Entsendung
einer internationalen Friedenstruppe gefordert.
Max Lane/d.Red.