Sozialistische Zeitung |
Ein "jour fixe" ist bekanntlich eine offene Zusammenkunft, zu der zu erscheinen öffentlich
aufgerufen wird, ohne die Gäste aber extra und persönlich einzuladen. Könnte also eine schöne, lebendige Sache
werden, wenn die Ökologische Linke Köln zu einem, genauer zwei "jours fixes" im Oktober und November dieses
Jahres einlädt, zumal das Thema eine Diskussion über "einen Neuanfang für einen Versuch rebellischer Opposition in
der Stadt" sein soll. Wer jedoch ein paar Minuten Zeit vergeudet und die Einladung zu diesem "Event" liest, der oder die wird
sich fragen, ob die Jungs und Mädels dieses Clubs wirklich Gäste haben möchten oder ertragen könnten.
Die Ökologische Linke ist nicht näher bekannt? Nicht weiter schlimm, denn die Einladung klärt in aller Bescheidenheit auf:
"Bei Bedarf kann auch ein Überblick über die Entstehung, die Inhalte und das Selbstverständnis der
Ökologischen Linken als wohl einziger noch bestehender und sich weiterentwickelnder linksradikal-antiautoritärer Organisation
gegeben werden."
Alle, die anderswo organisiert sind, gehören also automatisch zur anderen Seite der Barrikade und können wohl für die
"jours fixes" nicht als Gäste in Frage kommen. Bleiben noch die individuellen Zeitgenossen und -genossinnen, die
"linke Politik" machen wollen. "Linke Politik" ist nicht gleich "linke Politik", wie in der Einladung zu lesen
ist: "Linke Politik ist für uns nicht ‚Event, Reduktion auf Lebensreform und auf das Abspulen subkultureller Codes, sondern
solidarischer Angriff auf das System im Wissen um frühere Versuche."
Wir wollen nicht boshaft sein und das in diesen Worten lesen, was offensichtlich drin steht. Nämlich dass hier jemand, solidarisch mit
einem System, selbiges angreifen will. (So wie der Sturm des 1.FC Köln solidarisch mit dem Abwehrsystem der restlichen Bundesliga
selbiges angegriffen hat - und zielsicher in der 2.Liga gelandet ist.) Gemeint ist hier eher Folgendes: gemeinsam die gesellschaftlichen
Verhältnisse angreifen und miteinander solidarisch sein.
Wer jedoch den Rest der zwölfseitigen Einladung daraufhin liest, der oder die reibt sich verwundert die Augen. Dort wird eine Bilanz
der Protestaktivitäten zu den Gipfeltreffen der Europäischen Union und der G8-Staaten im Frühsommer in Köln
präsentiert, in der alle ihr Fett weg bekommen: die "ReformistInnen", die "Autonomen", die "NGOs",
die "Anarchosyndikalisten", "Ex-DKPler", Ex-KBler, "trotzkistische Restzusammenhänge", der
"Buko Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen", die "Erlassjahr-Kampagne", "die Linksradikalen"
außerhalb der Ökologischen Linken, der "EuroMarsch", die "Grünen", die "Jusos" und
viele namentlich genannte Einzelpersonen. Wie der Kasper im gleichnamigen Theater hauen die drei AutorInnen der Einladung auf alle
Krokodile und Teufel in ihrer Reichweite. Das Böse ist immer und überall.
Glänzte die Ökologische Linke schon vor den Gipfel-Protestaktionen mit einer als "linksradikal" etikettierten
Verschwörungstheorie über das Funktionieren des Kapitalismus, so beenden sie ihr Sommertheater mit Theorien über die
Verschwörungen der anderen Linken bei den gemeinsamen (oder auch nicht gemeinsamen) Aktionen. Das mag "solidarisch"
finden, wer mag, wir begnügen uns angesichts dieser Haudraufpädagogik mit der früher auch mal mit den
"Trotzkisten" marschierenden Musikkapelle Pink Floyd: We dont need no education...
Wir sparen uns hier eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Behauptungen, wer, was während der Aktionen zu den Gipfeln gesagt
oder getan haben soll. Wir möchten nur feststellen, dass, wenn die drei AutorInnen uns versprechen würden, für jede
offenkundige Lüge, für jedes verfälschte oder verfälschende Zitat und für jede Übertreibung ein Jahr
darauf zu verzichten, weitere Texte öffentlich zu verbreiten, dann hätten wir bis zu ihrer Rente nichts mehr zu befürchten, die
Schweinereien der Regierung bezüglich Lebensarbeitszeitverlängerung mit einbezogen. Für den Fall eines solchen
Versprechens wären wir auch zu einer solidarischen Textanalyse bereit.
Gibt es jetzt noch irgendwo einen Menschen, der oder die nicht von der Ökologischen Linken Köln abgewatscht, in Schubladen
eingeordnet und zum Feindeslager erklärt worden ist? Ja? Dann nichts wie hin zum "jour fixe", die Termine sind bei der SoZ-
Redaktion zu erfahren.
Aber Vorsicht, die Ökologische Linke verfolgt, wie gesehen, den in der Arbeiterbewegung so dauerhaft wiederkehrenden wie dummen
"Kampf zweier Linien" - die gute gegen die schlechte. Dieser Kampf hat die unangenehme Eigenschaft, end- und grenzenlos zu sein.
Zuletzt wird in den eigenen Reihen aufgeräumt oder gar das eigene Spiegelbild kritisiert (so wie vom alten stalinistischen KPD-
Führer Teddy Thälmann die Anekdote berichtet wird, er hätte zu Hause vor dem Spiegel Gruß- und andere
Übungen vollzogen, weil er sich nicht als genügend "leninistisch" erachtete). Es kann also durchaus passieren, das ein
Gast des "jour fixe" der Ökologischen Linken Köln dort dann zur Rede gestellt wird, gnadenlos entlarvt, wenn nicht gar
demonstrativ des Feldes verwiesen wird.
Aber spaßig könnte es doch werden.
Thies Gleiss