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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 14.10.1999, Seite 2

Keine Stellvertreterpolitik

Die PDS-Fraktion im Duisburger Rat

Hermann Dierkes (50), ist Betriebsrat, IG-Metall-Vertrauenskörperleiter bei der Eisenbahn und Häfen GmbH (Thyssen- Krupp-Konzern) und aktiver Mitarbeiter in der Duisburger Umweltinitiative und der daraus entstandenen Wahlliste "DuisBürgerBündnis". Letztere hatte beschlossen, bei der Kommunalwahl im September auf der offenen Liste der PDS zu kandidieren. Die SoZ sprach mit Hermann Dierkes über den Erfolg der Liste.

Ihr habt in Duisburg das beste Ergebnis der PDS bei den letzten Kommunalwahlen in NRW eingefahren. Woran liegt das?
Hermann Dierkes: Die PDS/Offene Liste entstand als Zusammenschluss von örtlicher PDS, DKP, Vertretern des DuisBürgerBündnisses (DUBB) und vielen Parteilosen. Wir haben ein Kommunalprogramm entwickelt, das unsere gemeinsamen Grundsätze und konkreten Vorschläge umfasst. Unser langfristiges Ziel ist es, das gesamte fortschrittliche Lager in Duisburg zusammenzuführen, allen Benachteiligten Handlungsmöglichkeiten, Organisation und Stimme zu geben. Wir wollen eben gerade nicht Stellvertreterpolitik machen, sondern mit dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen sich gemeinsam für ihre Interessen einsetzen und mobil machen. Die Arbeit in Rat und Bezirksvertretungen sehen wir als Mittel zu diesem Zweck. Unsere Liste berücksichtigt die vertretenen politischen Strömungen und die Gleichstellung der Frau.
Die alte und neue Oberbürgermeisterin, Frau Zieling, hat am Wahlabend erklärt, das Schlimmste am Wahlergebnis sei der Einzug der PDS gewesen. Was erschreckt sie so sehr?
Wir wollen anderere Prioritäten in der Stadtpolitik setzen. Wir wollen soziale Gerechtigkeit, umweltbewusstes Handeln und konsequente Demokratie zuerst. Das ist in vieler Hinsicht das Gegenteil von dem, was die Mehrheit lange Zeit betrieben hat und was sie in Verlängerung der Schröder/Fischer-Politik im Bund und der Clement-Politik im Land weiter betreiben will. Wenn in Duisburg nur 44% wählen gegangen sind, vor allem die SPD-Wähler aus Protest und Frust zu Hause geblieben sind, über 40 Jahre stabile SPD-Mehrheiten flöten gegangen sind, und wenn 4,2% PDS/Offene Liste gewählt haben, die in Fraktionsstärke in den Rat einziehen konnte, und fortschrittliche Opposition jetzt auch in einigen Bezirken vertreten ist, dann haben die Altparteien, aber auch die Grünen, schon Grund zur Sorge. Jetzt ist seit Jahrzehnten erstmals wieder eine Opposition im Rathaus, die konsequent und unbestechlich linke Politik machen und nicht in Gremien versacken wird. Die undemokratischen Ausgrenzungsmanöver - etwa indem uns SPD/CDU/Grüne und FDP gemeinsam stimmberechtigte Sitze in den Ratsausschüssen verweigern wollen - werden uns zwar behindern, aber überhaupt nicht entmutigen. Im Gegenteil!
Könnt ihr dabei mit den Duisburger Grünen zusammenarbeiten? Die galten im Landesverband ja immer als letzte linke Bastion.
Zunächst sah es so aus, als würde die bisherige informelle große Koalition zwischen SPD und CDU in eine formelle umgewandelt. Etwas überraschend hat es schließlich eine De-facto-Koalition zwischen SPD und Grünen gegeben. Teile der Tagespresse führen das auf die "Zockermentalität" der Grünen zurück, denen der Coup gelungen sei, obwohl sie fast die Hälfte ihrer Ratsmandate verloren haben. Wir sehen das anders. Die SPD hat in den Grünen nun einen preisgünstigen Mehrheitsbeschaffer gefunden, zumindest bis zu den Landtagswahlen im Mai 2000. Wohin die grüne Mehrheit steuert, die sich immer für links ausgegeben hat, davon hat die erste Ratssitzung einen Vorgeschmack geliefert. Die PDS/Offene Liste trat als einzige ernstzunehmende Opposition auf. Wichtige inhaltliche Themen - so unsere Forderung nach demokratischer Vertretung aller Gruppierungen in den Ausschüssen sowie Schaffung eines Gleichstellungsausschusses für Frauen - wurden von den Grünen fallengelassen, als es zur Abstimmung kam. Wir werden jede fortschritlliche Maßnahme der neuen SPD/Grünen-Mehrheit unterstützen, aber die Fortsetzung der neoliberalen Politik hart bekämpfen.
Wie wollt ihr die Arbeit der Fraktion PDS/Offene Liste den Wählern nahe bringen?
Wir haben den Wählerinnen und Wählern nichts versprochen, wie andere Parteien dies tun. Die PDS/Offene Liste lädt alle fortschrittlichen Kräfte ein, mit ihr zusammen Politik zu machen. Es wird so oft wie möglich öffentliche Versammlungen geben, auf denen politische Schritte und Initiativen entwickelt werden. Außerdem brauchen wir dringend bessere Instrumente, vor allem eine eigene Zeitung in möglichst hoher Auflage, die allen fortschrittlichen Kräften offensteht.
Hältst du nach den Erfahrungen mit einem Wahlbündnis hier in Duisburg diesen Weg auch für die bevorstehenden Landtagswahlen in NRW im Mai 2000 für richtig?
Im Prinzip ja, aber zunächst einmal müssen wir den Wahlerfolg vom 12.September umsetzen und konsolidieren. Die Diskussion über die Landtagwahl wird demnächst geführt werden.

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