Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 14.10.1999, Seite 2

Wohin geht die IG Metall?

Die gewerkschaftspolitische Richtung, in die sich die IG Metall bewegt, wird von vielen danach beurteilt, ob sie im Bündnis für Arbeit bleibt oder es verlässt. Nun konnte Klaus Zwickel auf dem 19.Gewerkschaftstag in Hamburg einiges aufzählen, das in diesem Bündnis bereits erreicht wurde: "z.B., dass Abfindungen nicht aufs Arbeitslosengeld angerechnet werden, ein verbessertes Altersteilzeitgesetz und die Ausbildungsplatzzusage". Werde diese nicht eingehalten, sagte er, "werden wir mit Nachdruck für die gesetzliche Umlagefinanzierung streiten." Mit den Arbeitgebern werde über konkrete Schritte gesprochen, wie die Überstunden abgebaut werden können. Entscheidendes Thema sei jetzt ein Modell für einen Ausstieg mit 60. Die Arbeitgeber wollten es bei der Altersteilzeit belassen. Davon hätten jedoch bisher erst rund 30.000 Beschäftigte Gebrauch gemacht - zu wenig, um die Erwerbslosigkeit ernsthaft abbauen zu können.
Für die Fortsetzung der Bündnisdiskussion stimmte auf dem Gewerkschaftstag eine überwältigende Mehrheit. Aber wieviele von ihnen verließen sich darauf, dass Klaus Zwickel, wenn die Arbeitgeber auf stur schalten, das Handtuch werfen wird, wie er es immer wieder beteuerte?
Der Versuch, an dem Prozentsatz der Stimmen, die wiedergewählte Vorstandsmitglieder erhielten, eine Richtungsentscheidung zu erkennen, stößt diesmal auf Schwierigkeiten. Am deutlichsten war die "Abstrafung" von Horst Schmitthenner, der sich mit seiner Beteiligung an der Erfurter Erklärung und als Gegner des Kosovo- Kriegs weit herausgehängt hat. Er hatte vor vier Jahren noch 78% der Stimmen erhalten, diesmal nur 67%.
Schließlich darf man nicht vergessen, dass der Riss, der durch die Sozialdemokratie geht, auch die mehrheitlich sozialdemokratischen IGM-Delegierten spaltet. Das bekam auch der 2.Vorsitzende Jürgen Peters zu spüren. Ende letzten Jahres zum ersten Mal mit 90% der Stimmen gewählt, fiel sein Anteil jetzt auf 77% zurück, weil er mit Kritik an der Regierung nicht gespart hat.
Dass Zwickels Stimmenanteil - trotz der Beifallsstürme, die Solidarisierung mit dem 1.Vorsitzenden nach außen bezeugen sollten - von 92% 1993 auf 88% zurückging, hat andere Gründe. Es waren wohl Kritiker der zunächst auf fünf Jahre begrenzten Rente mit 60 (ein vorher in der Organisation nicht diskutierter Schnellschuss), die damit ihre Verärgerung bezeugten; sie meinten, eine Ausweitung des Gesetzes über die Altersteilzeit wäre vorteilhafter gewesen.
Der für die Finanzen zuständige Bertin Eichler erreichte mit 94% die höchste Stimmenzahl, weil er kostspielige Fehler seines Vorgängers zu korrigieren beginnt. Erstaunlich jedoch, dass ausgerechnet das CDU-Mitglied Erwin Vitt seinen Stimmenanteil von 59% auf 67% erhöhen konnte. Nicht zuletzt wohl, weil die Jugend, für die er zuständig ist, mit einigen spektakulären Aktionen öffentlichkeitswirksam in Erscheinung trat. Übrigens auch auf dem Gewerkschaftstag selbst gegen den "Rot-Kohl" Bundeskanzler Schröder.
Die Frankfurter Rundschau (9.10.) urteilte vorschnell, der Gewerkschaftstag habe mit den Kritikern Zwickels vom "dogmatischen Flügel" im Vorstand abgerechnet und damit den Kampf um Zwickels Nachfolge wieder eröffnet. Das aber passt überhaupt nicht zu der von den Delegierten angenommenen Entschließung, in den nächsten Tarifrunden entweder erstmals eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 30 bzw. 32 mit Lohn- und Personalausgleich oder die Verkürzung der Jahresarbeitszeit auf 1400 Stunden zu fordern. Das entspricht genau dem, was der als Zwickels Nachfolger geltende 2.Vorsitzende Jürgen Peters stets als wirksamstes Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen benannte.
Die wahre Sorge dieses Gewerkschaftstags galt dem bisher unaufhaltsamen Verlust an Mitgliedern. Er lässt sich nicht nur auf die Erwerbslosigkeit zurückführen, sondern ist auch eine Folge der Aufspaltung von Großbetrieben in Klein- und Mittelbetriebe. Gewerkschaftliche Orientierung wird hierdurch enorm erschwert. Immer wieder wurde deshalb eine "Basisorientierung" in Form der Verlagerung von finanziellen und anderen Ressourcen auf die Ortsverwaltungen sowie die Mobilisierung von ehrenamtlichen Kräften beschworen, denen entsprechende Kompetenzen eingeräumt werden sollten.
Jakob Moneta
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04


zum Anfang