Sozialistische Zeitung |
Der Euromarschierer Bernd Reissmann aus Dresden war seit 1967 bei Robotron beschäftigt, bevor er im
vergangenen Jahr entlassen und das Restwerk aufgelöst wurde. Umstände und Methoden der Entlassung verraten eine
Menschenverachtung und Bereitschaft zur Menschenvernichtung, die man nur verstehen kann, wenn man sie im Zusammenhang mit der
neoliberalen Offensive für individuelle Bereicherung und erbarmungslose Konkurrenz sieht. Die Zeitschrift metall dokumentierte den Fall
in ihrer Ausgabe vom Januar 1999.
Zuerst hat Peter C. Adenauer, ein Großneffe des Alt-Bundeskanzlers,
die Beschäftigten der Dresdner Firma Robotron Projekt GmbH um ihre berufliche Existenz gebracht. Dann versuchte er mit miesen
Tricks, die Ansprüche der IG-Metall-Mitglieder zu unterlaufen.
Die E-Mail, abgesandt am 28.August 1998 um 11.30 Uhr, hat es in sich.
Detailliert rechnet Peter C. Adenauer vor, warum Mitarbeiter der Robotron-Projekt GmbH in Dresden (RPD) seiner Ansicht nach ruhig
für ihre Gehaltsansprüche klagen sollen: "Uns kostet es mindestens 8% Bankzinsen, das Geld zu leihen ... bei denen
müssen wir aber höchstens 4% Zinsen zahlen. Also ist es wesentlich billiger, wenn die warten. Arbeiten tun die ja sowieso
nicht!"
"Die", das ist z.B. Bernd Reissmann, 55 Jahre alt und seit 1967
bei Robotron in Dresden beschäftigt. Er muss bitter lachen, wenn er und seine Kollegen von Peter Adenauer in der gleichen Mail als
"rote Socke" bezeichnet werden: "Ich war nie in einer Partei, engagiere mich aber z.B. beim Euromarsch für
Arbeitsplätze."
Dazu hat der ehemalige Betriebsratsvorsitzende des Computerunternehmens
auch allen Grund. Denn Ende Juni 1998 kündigte Adenauer per Brief an, dass der Betrieb geschlossen und die restlichen 17 Mitarbeiter
"fristgemäß entlassen" würden. "Den Brief musste ich den Kollegen vorlesen, er hat sich davor
gedrückt", erinnert sich Reissmann.
Damit fand eine Unternehmerkarriere, die im Mai 1992 begann, ihr
vorläufiges Ende. Damals wurde Peter C. Adenauer, heute 58 Jahre alt, von der Treuhand-Anstalt als Geschäftsführer der
noch 128-köpfigen Belegschaft in Dresden eingesetzt. Seine Qualifikation: "Er hat nach eigenen Angaben lange in Amerika gelebt
und gearbeitet", berichten damalige Mitarbeiter.
Schon zum 1.April 1993 wurde aus dem Geschäftsführer der
Besitzer des Systemhauses, das vornehmlich Computernetze für Abwasserbetriebe installierte und über ein Zweigwerk im
russischen Twer verfügte. "Von dort hatten wir auch zwei große Aufträge, die mit richtigem Geld untersetzt
waren", weiß der Betriebsrat.
Angebliche Bedingungen der Robotron-"Privatisierung"
à la Adenauer: Kaufpreis 1 Mark, Arbeitsplatzgarantie für 40 Beschäftigte bis Ende 1995, Investitionsverpflichtung: null.
Hinderlich beim Aufschwung des Unternehmens waren jedenfalls die Tarifverträge der IG Metall. Deshalb gründete der frisch
gebackene Unternehmer flugs einen neuen Betrieb, die "Adenauer Computer GmbH". Dort, im gleichen Haus, wurden den Robotron-
Beschäftigten neue Arbeitsverträge angeboten. Und von den meisten auch unterschrieben. "Ein großer Fehler",
wie Bernd Reissmann schon damals warnte.
Denn den Beschäftigten fehlte plötzlich nicht nur Gehalt auf
den Lohnzetteln, sondern auch Rechte aus ihren alten Arbeitsverhältnissen. Ab Anfang 1996 gings bergab mit dem Unternehmen.
Die Gehälter trafen bald mit zwei Monaten Verspätung ein. Seit im Sommer diesen Jahres endgültig Schluss bei Robotron ist,
klagen einige IG-Metall-Mitglieder auf restliche Einkommen und Einhaltung der Kündigungsfristen. Adenauer versucht, die Verfahren vor
dem Dresdner Arbeitsgericht mit allen Tricks zu behindern. Selbst vor Befangenheitsanträgen gegen Richter schreckt er nicht
zurück.
Doch bislang ist der Erfolg bescheiden: Ein Antrag wurde noch im
November abgelehnt, die Prozesse schreiten voran. "Als er das merkte, hat Adenauer schnell ausstehende Gehälter
nachgezahlt", berichtet der Betriebsrat. Alle Ansprüche der Gekündigten sind damit allerdings noch nicht abgegolten. Wo der
findige Unternehmer plötzlich das Geld fand, ist bisher auch unklar. Zumindest hat Adenauer am 20.Juli 1998 wieder eine neue Firma
gegründet, die "Robotron Programmierung GmbH". Der Sitz ist in den gleichen Räumen an der Grunaer Straße 2
in Dresden.
Wieder hat der Mann mit dem großen Namen sechs ehemaligen
Robotron-Mitarbeitern neue Verträge angeboten. Und wieder scheinen die Geschäfte nicht besonders gut zu laufen.
Nachwort
Der Gerichtstermin fand nicht Anfang September, sondern im Oktober statt, und er ging gar nicht so aus, wie sich Herr Adenauer das
vorstellte. Der Richter verdonnerte ihn zur Zahlung aller ausstehenden Gehälter; vorsichtshalber hatte Herr Adenauer diese noch vor der
Verhandlung bis September 1998 einschließlich überwiesen. Im Februar 1999 wurde der Betrieb dicht gemacht. Bernd Reissmann
wartet immer noch auf den ihm zustehenden Lohn von Oktober 1998 bis Januar 1999.
Adenauer hatte den Betrieb zuvor so lange "verschlankt", bis er
mit 17 Mitarbeitern eine Größe erreicht hatte, wo der gesetzliche Schutz weitgehend entfallen war. Zu Ende Juni 1998 wurden alle
Beschäftigten fristgerecht gekündigt. Es gelang Adenauer, die Belegschaft zu spalten: die Jüngeren wurden in einen
"neuen" Betrieb übernommen, die älteren nicht. Dagegen hat der ehemalige Betriebsrat ebenfalls Klage eingereicht. Er
kann nachweisen, dass die angeblich neue Firma eine Fortsetzung der alten ist: zum Teil arbeiten dieselben Kollgen in denselben Räumen
an denselben Projekten weiter, Geschäftsführer und Eigentümer sind ebenfalls dieselben geblieben, sogar das Firmenlogo hat
sich nicht geändert. Statt mit 17 Beschäftigten wird die Arbeit jetzt mit zehn Leuten erledigt, mit dem Unterschied, dass es nun
keinen Betriebsrat und keine gewerkschaftliche Tätigkeit mehr gibt.
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