Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.23 vom 11.11.1999, Seite 15

Von Dakar nach Dublin

Afro Celt Sound System, Volume 2 Release, real world

Schon vor Jahren wurde in vielen Plattenläden das Schildchen Folklore aus aller Welt durch ein entsprechendes mit dem Titel Weltmusik ersetzt. In den besseren wurde Weltmusik als zusätzliche Rubrik eingeführt. Ein Schwall dieser Musik zog über uns hinweg, mehr Spreu als Weizen. Eine ganze Reihe von Popmusikern, wie etwa Paul Simon, sprangen auf die Welle auf, holten sich ein paar Musikerinnen und Musiker aus dem Süden, benutzten sie für ihre Karriere und machen mächtig Geld. Dass es auch anders ging zeigte Peter Gabriel. Der ehemalige Sänger der Gruppe Genesis gründete 1989 das
Real-World-Label. Mit einem professionellem Studio im Rücken, produzierte dieses Label für viele no names aus aller Welt nach ihrem Gutdünken Tonträger, die sonst nicht vorstellbar gewesen wären.
Mehr als achtzig Schallplatten wurden in den letzten zehn Jahren auf diesem Label verlegt. Darüber hinaus kamen Künstlerinnen und Künstler zusammen, die schnell merkten, dass sie und ihre Musik sich mehr zu sagen hatten, als es auf die ersten Noten hin tönt. In der Real World Recording Week 1991 waren es nicht weniger als 75 aus mehr als 20 Ländern, die sich in den Real-World-Studios trafen. So kam es, dass z.B. James McNally und Massamba Diop feststellen mussten: "Die irische Bodhran hat große Ähnlichkeit mit afrikanischen talking drums."
Treibender Musiker bei dem entstehenden Projekt Afro Celt Sound System wurde jedoch Simon Emmerson, der Volume 1 Sound Magic produzierte und auf dieser Platte auch Gitarren und Schlagzeug spielte, so wie die Programmierung der Tasteninstrumente übernahm. Und Peter Gabriel hatte Recht, als auf dem Cover schrieb: ‘Whatever the music, whatever the technology, great records come from great performances.‘
Zum zehnjährigen Bestehen von Real World Records gibt es jetzt das zweite Album dieses Projekts. Simon Emmerson und James McNally sind geblieben, ebenso der Gesang von Iarla O‘Lionaird, einige sind neu hinzugekommen, andere weggeblieben. Besonders hervorzuheben ist vielleicht noch der Gesang von Sinead O‘Connor im Titelstück. Dabei handelt es sich bei den einzelnen Stücken weder um irische Lieder mit afrikanischen Rhythmen, noch um afrikanisch-senegalesische Musik mit ein paar keltischen Elementen. Es ist in der Tat etwas Neues entstanden, das in beiden Kulturen wurzelt. Zudem hat Colin Irwin recht, wenn er bemerkt: "Dieses Album dient dazu, uns von einigen netten Vorurteilen über Musik zu heilen."
Es ist vor allem etwas anderes herausgekommen, als etwa Soul und Rhythm and Blues, obwohl sich diese beiden Musikstile ebenfalls aus diesen Wurzeln reichlich bedienten. Vor allem der Einsatz von afrikanischen, irischen und elektronischen Instrumenten hat eine Musik entstehen lassen, die einzelne Elemente spielerisch aneinander reiht und zu einer Einheit verschmelzt. Dabei bleiben die Wurzeln dennoch erkennbar, etwa wenn sich Djembe, keltische Harfe und Drumcomputer in "Amber" ein Stelldichein mit Iarla O‘Lionairds Stimme und N‘Faly Kouyates Hintergrundgesang geben. Es bleibt dennoch sehr wurzelorientierte Folkmusik mit oft rätselhaftem Charakter. Den bezieht die Musik, die mal fast bedächtig wirkt, mal flott vor sich hin plätschert, genau aus den verschiedenen Musikstilen, die einfließen.
Auf jeden Fall sind Zeit und Muße mitzubringen, denn die Platte verlangt nach mehrmaligem, genauem Hinhören.
DJ Tommy
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