Sozialistische Zeitung |
242,5 Milliarden DM will sich der britische Mobilfunkriese Vodafone die unfreundliche Übernahme seines europäischen
Hauptkonkurrenten Mannesmann kosten lassen. Seit Wochen zieht sich vor den Augen der Öffentlichkeit die "größte
Übernahmeschlacht der Geschichte" (Spiegel 47/99) hin.
Verblüfft müssen politisch Verantwortliche und wirtschaftlich
Mächtige zur Kenntnis nehmen, dass der Deal diesmal andersrum laufen soll als gewohnt. Denn diesmal findet sich ein deutscher Konzern
in der Rolle des Übernahmekandidaten wieder. Entsprechend hysterisch mit unverkennbar nationalistischen Untertönen fallen zum
Teil die Reaktionen hierzulande aus. Bild titelt: "Die Engländer kommen - Wird jetzt die Gier triumphieren?" Der
Ministerpräsident von NRW betont, dass der deutsche Konzern nicht zur "Provinzfiliale eines Londoner Konzerns" werden
darf. Selbst FDP-Chef Gerhard, der bisher wenig Probleme mit der weltweiten Liberalisierung hatte, warnt, unter dem "Deckmantel der
Globalisierung" könnten sich einige wenige Megakonzerne herausbilden.
In der Öffentlichkeit gilt im Falle von Übernahmeversuchen
zumeist das übernommene Unternehmen als Opfer, das Übernehmende als Aggressor. Im vorliegenden Fall gilt das nur bedingt. Es
mag ja durchaus zutreffen, was der Spiegel zu berichten weiß: "Die Rolle des Juniorpartners (35% Anteile an D2) bei Mannesmann
reicht Gent nicht. Schon früh machte er den Deutschen klar, dass Vodafone gewillt sei, seine Anteile langfristig aufzustocken - notfalls
auch über den Weg einer Übernahme des ganzen Mannesmann-Konzerns" (15.11.99).
Allerdings spricht auch einiges dafür, dass die Mannesmann-Spitze
bewusst die Konfrontation gesucht hat. Denn Mannesmann hat hochgesteckte Ziele. Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa will es zu einem
"führenden Anbieter von Telekommunikationsleistungen" werden. Mit dem bislang teuersten Coup in Europa, der
Übernahme des britischen Mobilfunkunternehmens Orange für stattliche 60 Milliarden DM, hatte Mannesmann den vorher
herrschenden Burgfrieden zwischen den beiden Firmen faktisch aufgekündigt.
Bis dahin waren Mannesmann und Vodafone "Partner"
gewesen. Vodafone war mit 35% an Mannesmann-Mobilfunk D2 beteiligt, bei der italienischen Firma Omnitel kontrolliert Mannesmann 55%,
Vodafone 21,6% der Anteile. Miteinander verbandelte Unternehmen unterlassen es in der Regel, sich auf ihrem angestammten Terrain
Konkurrenz zu machen. Insofern war es für Vodafone eine Provokation, dass sein deutscher Partner ihn kurzerhand umging und sich
ausgerechnet auf seinem Heimatmarkt den Erzrivalen Orange einverleibte. Dazu die Woche: "Gent musste handeln, denn ohne den
Verbündeten Mannesmann droht sein weltweit agierendes Unternehmen in Europa ins Hintertreffen zu geraten" (26.11.1999).
Das Mannesmann-Management agiert also in der aktuellen
Auseinandersetzung um die Gunst der Aktionäre keineswegs aus einer Position der Schwäche heraus. Im Gegenteil. Klaus Esser
strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Er wähnt sein Unternehmen auf der Überholspur und räumt indirekt ein, es gehe ihm
darum, Vodafone auszubremsen. "Er [Vodafone-Chef Gent] und seine Aktionäre wissen: Wenn sie uns nur noch ein paar Monate
weitermachen lassen, gibt es keine Chance mehr, uns den Vorsprung in Europa wieder wegzunehmen" (Spiegel 47/99). Auf die Frage der
Wirtschaftswoche, wer denn eigentlich der Stärkere sei, antwortet Klaus Esser: "Noch sind wir gleich stark. Da Vodafone aber viel
weniger Kundenzugänge über ihre Konzerngesellschaften besitzt, ist das auf die Dauer schlecht für Vodafone und sehr gut
für Mannesmann" (2.12.99).
Daran mag einiges bewusste Protzerei sein, um die Aktionäre von
der eigenen Stärke zu beeindrucken. Aber soviel ist sicher: Hier wehrt sich nicht ein harmloser kleiner deutscher Singvogel gegen den
britischen Raubvogel. Hier kämpfen zwei Räuber um die Kontrolle am europäischen Mobilfunkhimmel.
Die Guten ins Töpfchen
Vodafone lässt keinen Zweifel daran, dass es im Falle einer
Übernahme Mannesmann zerschlagen und nur den profitablen Mobilfunkbereich behalten will. "Wenn Vodafone die Kontrolle
über Mannesmann bekommt, wird der Düsseldorfer Konzern zerlegt nach dem Motto: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten
ins Kröpfchen. Die Folgen insbesondere für die Mitarbeiter liegen auf der Hand", schreibt die Südwestpresse zu recht.
Aber was kommt auf die Mannesmann-Beschäftigten zu, wenn im aktuellen Showdown der Manager Mannesmann-Chef Klaus Esser die
Oberhand behält? Schon im September hat Esser, garniert mit der Modephrase "Konzentration auf das Kerngeschäft",
die Zerschlagung und Filetierung des Konzerns angekündigt. Nun soll schon Mitte nächsten Jahres mit dem Konzernumbau
begonnen werden. Das Filetstück Telekommunikation soll so zubereitet werden, dass der Appetit finanzkräftiger Aktionäre
auf Superrenditen noch besser befriedigt wird. Einziger Unterschied zu den Plänen von Vodafone-Chef Chris Gent: Der Festnetzbereich
mit Mannesmann Arcor soll weiter im Konzern verbleiben und eine wichtige Rolle spielen. Dagegen wird der vom Management als wenig
profitabel eingestufte Konzernbereich "Röhren" abgestoßen. Dort werden Arbeitsplätze wegfallen und die
Köpfe rollen.
Bezeichnenderweise wird der Bereich in den Zukunftsplänen des
Managements gar nicht mehr erwähnt. Mit Sicherheit werden auch in den zur Ausgliedeung vorgesehenen Konzernsparten
"Automotive" und "Engeneering", in denen derzeit ca 90.000 der insgesamt 116.000 Mannesmann-Beschäftigten
tätig sind, die Beschäftigten gewaltig unter Druck kommen. Wahrscheinlich wird es auch hier zum Verlust von Arbeitsplätzen
kommen. Mit Sicherheit wird das "deutsche" Management erneut die Herauslösung von Mannesmann aus der
Montanmitbestimmung auf die Tagesordnung setzen. Und es würde nicht überraschen, wenn die Mannesmann-Manager den
Beschäftigten zur "Sicherung ihrer Arbeitsplätze" obendrein noch eine "Selbstbeteiligung" in Form von
Lohnabschlägen und Einschränkungen der betrieblichen Sozialleistungen abzupressen versuchten. Das wäre dann eine
Schutzgeldzahlung der besonderen Art: Nämlich dafür, dass sie in Zukunft weiterhin von einem deutschen und nicht von einem
britischen Vorstand geschröpft werden.
IG Metall: Für Beelzebub statt Teufel
Vor diesem Hintergrund mutet es einigermaßen seltsam an, dass der
Konzernbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ladberg und der IG-Metall-Chef Klaus Zwickel meinen, im Schulterschluss mit dem Vorstand
für Arbeitsplätze und den Erhalt sozialer Standards zu kämpfen zu können.
Dies ist der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Sie
entblöden sich nicht, die Mannesmann-Spitze aufzufordern, die geplanten Strukturveränderungen zügig weiterzuentwickeln -
obwohl sie wissen, dass sich die Pläne Essers nur um Nuancen von denen Gents unterscheiden. Bleibt es dabei, sieht die Zukunft
für die außerhalb des Telekomsektors beschäftigten Mannesmänner düster aus.
Vorbedingung für einen einigermaßen erfolgreichen Kampf
für den Erhalt von Arbeitsplätzen und sozialen Standards gegen Managerwillkür und Aktionärsgier wäre, dass
Beschäftigte und Gewerkschaft über alle Konzern-Sparten hinweg an einem Strang ziehen. Aussicht auf Erfolg bestünde,
wenn Beschäftigte und IG Metall nicht den Bock namens Klaus Esser zum Gärtner machten, sondern sich auf die eigenen Kraft
verließen. Dazu wären jetzt massive öffentliche Protestaktionen und Arbeitskampfaktivitäten nötig - allerdings
nicht für den Mannesmannvorstand um Klaus Esser, sondern gegen ihn und seine Pläne. Danach sieht es aber leider nicht aus.
Es steht also momentan schon so gut wie fest, wer vor allem die Opfer des
Revierkampfes zwischen Mannesmann und Vodafone sein werden; nur die Entscheidung darüber, wer sich letztendlich die Beute
einverleibt, steht noch aus.
Franz Mayer
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