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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 09.12.1999, Seite 8

Asyl

‘Altfallregelung‘ im alten Stil

Es war ein Versprechen des rot-grünen Koalitionsvertrags: Für lange in der BRD lebende Flüchtlinge und Asylbewerber sollte eine "humanitäre" Lösung gefunden werden, d.h. es sollte ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Flüchtlinge und gutgläubige Gruppen aus der Flüchtlingsarbeit warteten deshalb schon lange voller Hoffnungen auf eine diesbezügliche Regelung.
Am 18./19.November war es so weit. Die Konferenz der Innenminister der Länder wollte in Görlitz endlich einen Beschluss in dieser Sache fassen. Es sollten nicht allzu viele Menschen in den Genuss des Bleiberechts kommem. Aus Kreisen der Innenministerkonferenz wurde die Zahl 20.000 genannt. Schily ging vor der Konferenz sogar davon aus, dass es in diesem Punkt wahrscheinlich zu keiner Enigung kommen würde.
Doch es gab eine Einigung. Sie schließt sich mehr oder weniger nahtlos an die "Altfalllösung" von 1996 unter dem Vorsitz von Bundesinnenminister Kanther (CDU) an. Auch damals wurde von der Innenministerkonferenz die Zahl 20.000 "Begünstigter" genannt. Inzwischen liegt das Ergebnis vor: Nur etwa 7800 Flüchtlinge erhielten aufgrund der Altfalllösung 1996 das Bleiberecht in der BRD.
Für die jetzige Altfalllösung prognostiziert Pro Asyl, dass höchstens 5000 Flüchtlinge bundesweit ein befristetetes Bleiberecht erhalten werden. "Das ganze Geheimnis, warum der jetzt verabschiedete Text für alle Innenminister als Kompromiss akzeptabel war, liegt darin, dass er jedem Bundesland weitgehende Interpretationsspielräume eröffnet, um die Zahl der Begünstigten gegen Null zu treiben", fasst Heiko Kaufmann, Pressesprecher von Pro Asyl, die Einigung zusammen.
Die Regelung gilt grundsätzlich nicht für BosnierInnen, Kosovo-AlbanerInnen und Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien. Gleichgeblieben sind weitgehend auch die "Integrationsbedingungen": Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis für höchstens zwei Jahre setzt die Unabhängigkeit von Sozialhilfe und die Verfügung über ausreichenden Wohnraum voraus.
Die geforderten Aufenthaltszeiten (Familien mit Kinder müssen vor dem 1.6.93, Alleinstehende und kinderlose Paare vor dem 1.1.90 eingereist sein) ein dreiviertel Jahr länger als 1996.
Eine absolute Verschärfung der rot-grünen Altfallregelung gegenüber Kanthers Werk von 1996 ist die Einführung der Stichtagsregelung 19.11.99, an dem die Integrationsbedingungen erfüllt sein müssen. Das bedeuted im Klartext: Anders als 1996 gibt es keine Übergangsfrist für die Flüchtlinge, in der sie sich noch um einen Job oder eine Wohnung kümmern können.
Dazu muss mensch wissen:
1. In vielen Regionen der BRD wurde den Flüchtlingen generell keine Arbeitserlaubnis erteilt.
2. In den meisten übrigen Regionen besteht ein faktisches Arbeitsverbot durch die "Arbeitsmarktprüfung" der Arbeitsämter (= keine Erteilung einer Arbeitserlaubnis wegen des Vorrangs der Vermittlung deutscher und EU-Arbeitsloser für jeden vom Flüchtling selbst gefundenen Arbeitsplatz).
3. Für alle Flüchtlinge galt, dass sie nicht in Gebiete umziehen durften, wo aufgrund der Arbeitsmarktlage die Wahrscheinlichkeit größer war einen Job zu finden. Vor diesem Hintergrund ist die Stichtagsregelung schlicht eine menschenverachtende und zynische Gemeinheit.
Die wenigen Stellen, an denen der aktuelle Text für kleine Flüchtlingsgruppen kleine Verbesserungen bringt, sollen trotzdem nicht verschwiegen werden. "Illegale Einreise und kurzzeitiger illegaler Aufenthalt (drei Monate) schaden nicht", "Geldstrafen bis zu 50 Tagessätzen können außer Betracht bleiben", heißt es in der Vereibarung. Und die Regelung ist auf die ehemaligen Kontraktarbeiter in den neuen Bundesländern ausgedehnt worden. Sie waren 1996 ausgeschlossen worden.
Selbstverständlich hat auch diese Vereinbarung juristische Interpretationsspielräume. Engagierte JuristInnen können von daher im Interesse der Flüchtlinge mit dem Text arbeiten.
In den einzelnen Bundesländern müssen in der nächsten Zeit die Ausführungsbestimmungen formuliert werden. In diesen Prozess werden sich Unterstützergruppen sicherlich noch einschalten, um kleine Verbesserungen zu erstreiten. In Bayern geht das allerdings nicht mehr. Dort sind sie schon längst veröffentlicht. Wahrscheinlich lagen sie zum Zeitpunkt der Innenministerkonferenz schon fertig in der Schublade.
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