Sozialistische Zeitung |
Die politische Führung des Zentralen Streikrats (CGH - Consejo General de la Huelga) liegt in den
Händen einer informellen Koalition sogenannter "Marxisten-Leninisten", die ihre Basis in der natur- und der
politikwissenschaftlichen Fakultät haben. Dazu gehören Anhänger ultralinker Gruppierungen wie der Unión Revolucionario
Emiliano Zapata, Frente Popular Francisco Villa oder Movimiento Proletario Independiente.
Anfang August begann eine andere Koalition von Organisationen der
radikalen Linken Flugblätter zu verteilen, in denen zu einem Ende der Streiks per Verhandlungen und zur Fortsetzung des Kampfes mit
anderen Mitteln aufgerufen wurde. Zu diesem Bündnis gehören trotzkistische Gruppen wie die Liga für sozialistische Einheit
(LUS), die Revolutionäre Arbeiterpartei (PRT) und Juventud Socialista (JS - Sozialistische Jugend), die in ihren Reihen einen der
bekanntesten Führer des Streiks zählt.
Im September brachen auch die Anhänger der prokubanischen
Corriente en Lucha por el Socialismo mit den Ultralinken. Zusammen mit radikalen Kräften der PRD (Partei der demokratischen
Revolution) gründeten all diese Gruppen den "demokratischen Sektor" des CGH.
Dies ergab das Szenario für die heftigen Auseinandersetzungen im
CGH, die teilweise im Fernsehen zu sehen waren. Die dominierenden Gruppen, die eine unbegrenzte Fortsetzung des Streiks
befürworten, nahmen dabei Zuflucht zu Mitteln wie das Schlagen und rhythmische Niederschreien ihrer Opponenten oder der
unbegrenzten Verlängerung von Sitzungen.
Die systematischste Kritik des Verhaltens der CGH-Führung leistete
Juventud Socialista, vielleicht weil sie länger als die meisten anderen "Dissidenten" gegenüber den Ultralinken loyal
war. Juventud Socialista kritisiert deren stalinistische Methoden und ist der Auffassung, dass sie die Kluft zwischen einer aktivistischen
"Vorhut" des Streiks und der Masse der Studierenden, die passiv sind und eine Wiederaufnahme ihres Studiums ersehnen,
vergrößern.
Doch eine unbequeme Wahrheit müssen auch Gruppen wie Juventud
Socialista anerkennen: Ob mit oder ohne undemokratische Methoden - die ultralinke Führung des CGH hat die Unterstützung
tausender Studentinnen und Studenten. Dies ist nur erklärbar durch die Härte des Klassenkampfs in Mexiko, durch die riesige Kluft
zwischen mehr als 90% der Bevölkerung, die arm sind, und einem winzigen Prozentsatz von Superreichen sowie durch das Ausmaß
des dadurch hervorgerufenen Klassenhasses unter den Armen und Unterdrückten.
Der CGH kann die Studierenden immer noch zum Sieg führen, aber
nur wenn er seine ultralinke Taktik aufgibt und [Universitätsrektor] Barnés keine Vorwände mehr liefert, nicht zu
verhandeln. Eine Niederlage für die Studierenden wäre ein harter Schlag für alle, die gegen neoliberale Angriffe
kämpfen, nicht zuletzt für die Elektrizitätsarbeiter, die gegen die Privatisierung kämpfen, und die Zapatisten in Chiapas.
Beide Gruppen haben die Studierenden unterstützt.
Die militanten sozialistischen Kräfte in Mexiko müssen diese
Ereignisse als Alarmsignal begreifen. Die Kräfte des revolutionären Sozialismus sind beträchtlich, jedoch in zahlreiche
konkurrierende Gruppen gespalten - und viele dieser Gruppen werden von ultralinken, halbstalinistischen Ideologien beeinflusst. Nur eine
umfassende ideologische und organisatorische Erneuerung der Kräfte des Marxismus kann eine adäquate politische Führung
für den Kampf der Massen für eine Alternative zum Neoliberalismus hervorbringen.
Phil Hearse