Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.04 vom 14.02.2001, Seite 4

DaimlerChrysler

Massenentlassungen und Produktionssteigerung

Die Ankündigung kam früher als erwartet: Wochen vor dem geplanten Termin gab Dieter Zetsche, Daimlers Mann bei Chrysler, seinen Sanierungsplan für die US-Tochter bekannt. Danach werden Chryslers Produktionskapazitäten um rund 15% reduziert, sechs Werke geschlossen und in fünf weiteren komplette Schichten gestrichen. 26000 der heute 127000 Arbeitsplätze sollen vernichtet werden, drei Viertel davon noch in diesem Jahr. Geschlossen werden sollen Werke in Argentinien, Brasilien und Mexiko, der größte Teil des Personalabbaus ist allerdings in den US-Werken geplant, wobei die kanadischen Montagewerke überproportional betroffen sind.
Daimlers Arbeitsplatzabbau geht weit über die von den Kokurrenzunternehmen Ford und General Motors (GM) angekündigten Einschnitte hinaus, obwohl die "big three" dieselben Probleme haben: die Abkühlung der US- Konjunktur im Allgemeinen, den Rückgang der Autokonjunktur in den USA im Besonderen und die in solchen Phasen besonders deutlich sichtbar werdende Strukturkrise der Autoindustrie mit ihren weltweiten gigantischen Überkapazitäten.
Alle drei Phänomene können für den DaimlerChrysler-Vorstand kaum überraschend gewesen sein. Trotzdem wurde noch bis weit ins Jahr 2000 Optimismus verbreitet: Die Börsenkurse sollen weiter nach oben. Schließlich hat sich das Topmanagement ein neues Aktienoptionsmodell genehmigt, mit dem die Vorstandgehälter — steigende Kurse vorausgesetzt — in amerikanische Dimensionen wachsen.
Der Arbeitsplatzvernichtungskurs soll, so Zetsche, mit den Gewerkschaften (der amerikanischen UAW und den Canadian Autoworkers CAW) verhandelt worden sein. Die Tarifverträge machen Werksschließungen und Entlassungen gegen den Widerstand der Gewerkschaften nahezu unmöglich.
Die Chrysler-Krise verdeutlicht, dass die kommenden Jahre für die Belegschaften der Autoindustrie nicht ruhig verlaufen werden. Die von Zetsche angekündigte Produtivitätssteigerung zeigt, dass noch mehr an der Leistungsschraube gedreht werden soll. Vor dem Hintergrund bestehender Überkapazitäten und demselben Rattenrennen in allen Konzernen führt jedoch jeder Rationalisierungserfolg unweigerlich zu einer weiteren Verschärfung der Probleme. Belegschaften und ihre Vertretungen können sich ihrer Haut nur dann erfolgreich wehren, wenn sie sich weder in einen Unterbietungswettbewerb hetzen lassen noch eine Politik nach dem St.Florians-Prinzip betreiben, also Werksschließungen hinnehmen, solange sie in anderen Ländern stattfinden.
An den europäischen GM-Standorten gingen Ende Januar zehntausende auf die Straße, um gegen die geplante Schließung von zwei britischen Werken zu protestieren. Aufgerufen hatte der GM-Euro-Betriebsrat (siehe SoZ 3/00). Für die internationalen Gremien der DaimlerChrysler-Belegschaftsvertretung stehen solche Nagelproben noch bevor.

Tom Adler (Stuttgart)

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