SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2002, Seite 17

Philippinen

Die zweite Front im ‘Terror‘-Krieg

Die SoZ führte in der März-Ausgabe mit FELISA SANCHEZ von der Revolutionären Arbeiterpartei Mindanaos (RWP) ein Gespräch über die Auswirkungen des 11.September auf die Philippinen. In dieser Ausgabe geht es um die Folgen der neoliberalen Offensive und die Situation der verschiedenen oppositionellen Organisationen.

Präsidentin Arroyo verlässt sich nicht nur militärisch auf die USA. Auch wirtschaftspolitisch gelten die Philippinen als Musterschüler des Neoliberalismus. Welche Auswirkungen hat dies speziell auf die Situation in Mindanao?
Präsidentin Arroyo versucht unter anderem, ein regionales Projekt fortzusetzen, das sich Brunei-Indonesia-Malaysia-Philippines-East Asia Growth Area (BIMP EAGA) nennt. Es wurde bereits unter Präsident Ramos entworfen; Mindanao liegt im Zentrum dieses regionalen Blocks. Es gibt bereits einige Programme, die das Projekt konkretisieren. Wegen der Präsenz revolutionärer Gruppen in der Gegend haben sie jedoch keinen Erfolg.
Eine malaysische Firma z.B. wollte 300000 Hektar Land kaufen, das entspricht einem Gebiet der Größe von zwei Provinzen in der Moro-Region. Große malaysische Unternehmen kaufen auch die bedeutendsten Industrien auf Mindanao und lassen sie dann eingehen, so z.B. die Stahlwerke der National Steel Corporation. Viele Facharbeiter sind aus Mindanao abgewandert, einige von ihnen wurden von malaysischen Firmen übernommen, und so gibt es jetzt Stahlfacharbeiter aus Mindanao in Malaysia. Einige andere große Betriebe mussten schließen, weil sie von der Stahlindustrie abhingen.
Auch die Energieerzeugungsunternehmen sollen privatisiert werden, weil sie angeblich verschuldet sind. Aber hier gab es Proteste: die Arbeiter haben darauf hingewiesen, dass die Unternehmen gut laufen; die sozialen Bewegungen befürchteten höhere Strompreise. Die malaysischen Firmen haben mittlerweile kein Interesse mehr an der Kraftwerksindustrie, aber jetzt sind es US-Investoren, die die National Power Corporation aufkaufen wollen.
Die Regierung hat auch das General Agreement on Trade and Services (GATS) unterzeichnet, nun muss sie die eingegangenen Verpflichtungen bis zum Jahr 2003 umsetzen. Dies führt vor allem in Mindanao zur Vertreibung von Bauern, denn nun werden Ländereien, die zuvor landwirtschaftlich genutzt wurden, in Wohn- und Industriegebiete umgewandelt. Und es gibt keinerlei soziales Auffangnetz für diejenigen, die ihr Land verlieren. In anderen Fällen kaufen Investoren Land, auf dem bisher Nahrungsmittel für die Bevölkerung, etwa Reis, angebaut wurden und zwingen die Bauern dazu, künftig Produkte für den Export anzubauen.
Zurzeit gilt Mindanao als "letzte Grenze" der neoliberalen Politik. Die indigenen Völker sind vom Vorgehen der Bergbaugesellschaften betroffen. Das Bergbaugesetz von 1995 erlaubt den Abbau von Bodenschätzen durch Gesellschaften, die sich zu 100% in ausländischem Besitz befinden. Dabei gibt es keinerlei Vereinbarungen oder Gutachten zum Umweltschutz. Dies verstößt gegen das Gesetz über die Rechte der indigenen Völker, das festlegt, dass die indigenen Völker in ihren angestammten Gebieten die Rechte an den Bodenschätzen besitzen. Der Staat hat ihnen dieses Recht nun geraubt, und wenn es irgendwo Bodenschätze gibt, die abgebaut werden sollen, werden die Menschen einfach umgesiedelt.

Wie ist zur Zeit das Verhältnis zwischen den beiden großen islamischen Organisationen auf Mindanao, der Moro National Liberation Front (MNLF), die den bewaffneten Kampf 1996 aufgegeben hat, und der Moro Islamic Liberation Front (MILF), die ihn fortsetzt?
1996 gab es einen Friedensvertrag zwischen der MNLF und der Regierung. Die Regierung wollte 2000 Kämpfer der MNLF in die regulären Streitkräfte eingliedern, bisher haben aber erst etwa 500 diesen Schritt vollzogen. Das liegt auch daran, dass dieser Integrationsprozess sehr bürokratisch ist. Deswegen schließen sich viele unzufriedene ehemalige MNLF-Kämpfer der MILF an. Die Streitkräfte sprechen nur von etwa 1500, die MILF aber behauptet, es seien 10000 gewesen. Militärisch hat die MILF an Stärke gewonnen. Nachdem sie bei einem Angriff der Armee einen Großteil ihrer Waffen verloren hat, hat die MILF die bisherige konventionelle Kriegsführung aufgegeben und ist zum Guerillakrieg übergegangen.

Ihr arbeitet mit der MILF zusammen. Wie funktioniert diese Kooperation, und welche Rolle spielt die maoistische Guerilla, die ebenfalls auf Mindanao operiert?
Die Revolutionäre Arbeiterpartei Mindanaos befindet sich in einer taktischen Allianz mit der MILF. Wir können in unserer Arbeit die Existenz der MILF einfach nicht ignorieren, deshalb müssen wir mit ihr verhandeln. Manchmal beteiligen wir uns an einigen taktischen Operationen. In Fragen der Ideologie respektieren wir, was die MILF vertritt, kritisieren sie aber auch — insbesondere, weil sie dazu neigt, die Entwicklung der Zivilgesellschaft zu vernachlässigen und sich nur um die Anhäufung von Waffen und die Rekrutierung von Kämpfern zu kümmern. Dies würde dazu führen, dass bei möglichen Friedensverhandlungen in der Zukunft die Masse der Bevölkerung nicht vertreten wäre.
Unser Ansatz ist, die lokalen Strukturen aller drei Bevölkerungsgruppen zu stärken. Die Moro haben immer noch eine soziale Struktur, die auf Clanbeziehungen beruht, und auch die Lumad besitzen eine traditionelle Struktur der Selbstverwaltung, die aber von der Zentralregierung nicht anerkannt wird. Das gleiche gilt für die christlichen Siedler.
Unsere eigene militärische Intervention zielt nicht auf Aggression, sondern auf die Verteidigung der demokratischen Errungenschaften der Bevölkerung. Die maoistischen Gruppen hingegen, die mit der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) und der New People‘s Army in der National Democratic Front zusammengeschlossen sind, greifen tatsächlich die Dorfgemeinschaften an, in denen wir verankert sind. Dabei ist in letzter Zeit einer unserer Genossen getötet worden.
Diese Organisationen haben ein instrumentelles Verhältnis zu den Bewegungen der verschiedenen Volksgruppen. Zum Beispiel klagen die Lumad darüber, dass die NPA sie nur für ihre bewaffneten Aktionen rekrutieren will. Aber die Lumad wollen ihre angestammten Gebiete wirtschaftlich entwickeln, und deshalb kommt es, wenn die NPA dorthin vorrückt, zu Konflikten mit den bewaffneten Selbstverteidigungsstrukturen der indigenen Bevölkerung. Auch die Moro werden von den maoistischen Organisationen nicht als Volk betrachtet, das für seine nationale Unabhängigkeit kämpft, sondern als ein "spezieller Sektor", dessen Forderungen erst nach der "nationalen demokratischen Revolution" verwirklicht werden können.

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