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Fast
wäre es der Beginn einer neuen "Streitkultur" in
der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di geworden. Am 15.April
reisten etwa 15 kritische Kolleginnen und Kollegen aus
Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim und Essen zur Hans-Böckler-
Stiftung nach Düsseldorf, um dort auf Einladung des
Projektbeirats der Ver.di-Gesundheitskampagne über die
Aufstellung gegen die "rot-grünen" Rosskuren zu
streiten. Ausgangspunkt war eine Neupositionierung der
gewerkschaftlichen Gesundheitspolitik im vergangenen Herbst
unter Federführung von Prof.Lauterbach. Die Expertengruppe
erarbeitete eine Broschüre mit dem Titel:
"Qualität und Effizienz", die versucht, sich
neoliberale Muster unter gewerkschaftlichen Vorzeichen
anzueignen: "Ein Wettbewerb um Qualität anstelle
ökonomischer Konkurrenz soll das Gesundheitswesen von
morgen prägen."
Die
ausdrückliche Aufforderung zur Auseinandersetzung mit der
sog. "Streitschrift" nahm die Mitgliedschaft
wörtlich. In einer scharfen Kritik wiesen die Stuttgarter
Böhm, Mörbe und Riexinger facettenreich nach,
"dass umgekehrt Qualität gegen Wettbewerb
durchgesetzt werden muss". Binnen weniger
Wochen unterzeichneten über 60 Kolleginnen und Kollegen
Personalräte, ehrenamtliche Vorstände und
Sekretäre den Stuttgarter Text. In mehreren
Landesbezirken wuchs das Interesse am Widerspruch. Doch das
allein hätte nicht genügt, eine beidseitige
innergewerkschaftliche Wahrnehmung zu erzwingen.
Erst der
offenkundige Wortbruch der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt
löste die notwendige Verunsicherung im Ver.di-Bunker am
Potsdamer Platz aus. Sie schlug auf Geheiß ihres Kanzlers
alle Wahlversprechungen in den Wind und droht mit dem
verschärften Wettbewerb der Kassen, mit Eintrittsgeldern,
erhöhten Zuzahlungen und vor allem mit dem Bruch der
paritätischen Finanzierung. Im Berlin der kurzen Wege
wurden die fieberhaften Lobbyarbeiter der Gewerkschaft
unvermittelt auf Kurzarbeit gesetzt. Kalt erwischt, müht
sich die Ver.di-Führung nun um kurzatmige Mobilisierungen.
Fast aus dem Stand heraus ruft sie zum 17.Mai nach Berlin auf
unter der abenteuerlich anmutenden Losung: "Für eine
mutige Reform!"
Können bei solch einem Schwenk die
Kritiker wieder eingesammelt werden? Trotz zahlreicher
Gemeinsamkeiten zeigte die etwa zweistündige Debatte in
Düsseldorf, dass die Gewerkschaftslinken im neuen Kurs
eher ein Hindernis erkennen. Insbesondere die offiziellen
Ver.di-Vorschläge, mit 35 Milliarden Euro Einsparungen und
Umfinanzierungen die Beitragssätze wie vom Kanzler
angepeilt auf 13% zu senken, verurteilte sie als Einknicken vor
der Lohnnebenkostenlüge. Wenn nicht einmal die unsoziale
Unterversorgung im Gesundheitssystem und die
vernachlässigte Prävention beziffert werden, werden
selbst gut gemeinte Sparvorschläge missverständlich
zum Schulterschluss mit der Regierung des Sozialabbaus.
So richtig
ernst war das Dialogangebot der Ver.di-Zentrale auch gar nicht
gemeint jedenfalls nicht auf gleicher Augenhöhe.
Die maßgeblichen Autoren Bsirske und Lauterbach, das
verantwortliche Bundesvorstandsmitglied Eggert und die
allermeisten Professoren hatten sich zumindest für diesen
Tagesordnungspunkt entschuldigen lassen und trafen zum Teil
pünktlich kurz hinterher ein. So war unter dem Strich
wichtiger, dass die ernüchtert abreisenden Linken rasch
noch Verabredungen für eine schrittweise
Eskalationsstrategie treffen konnten um während der
drohenden 1.Lesung der Reformgesetze am 22.Mai breite
Aufklärungsaktionen zu initiieren.
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